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„Aktien sind zu einem Rentenersatz geworden“

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Der Aktienmarkt verändert sich. Lange Zeit konnten Anleger auf die einfache Börsenregel vertrauen: „Läuft Butter, läuft Käse“. Die Unterschiede zwischen der Kursentwicklung der einzelnen Sektoren wurden geringer. Nur krasse Außenseiter setzten sich ab.

Für Investoren war es unter diesen Bedingungen ausreichend, sich an Marktindizes zu orientieren. Börsennotierte Indexfonds (ETFs, Exchange Traded Funds), die den allgemeinen Markt abbildeten, feierten fröhliche Urständ. Die Unterschiede zwischen den Unternehmen waren häufig größer als die Unterschiede zwischen den volkswirtschaftlichen Branchen.

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Seit einiger Zeit ist das anders. Die Marktentwicklung differenziert sich. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Sektoren „Reisen & Freizeit“ und „Grundstoffe“ im Euro Stoxx 600. Seit Beginn dieses Jahres haben sich die Kurse im Bereich „Reisen & Freizeit“ unter Schwankungen relativ kontinuierlich nach oben entwickelt.

Dagegen sind die Kurse der Unternehmen der Grundstoffindustrie zuerst deutlich gestiegen, dann aber stark gefallen. Mein Kollege Philip Seegerer, der den Fonds Assenagon Trend Sektor 80 (WKN: A0YH7K) managt, hat nachgewiesen, dass die Korrelation zwischen den einzelnen Sektoren generell wieder abnimmt.

Mehr Chancen, mehr Fragen

Die unterschiedliche Entwicklung der Branchen gibt dem Anleger mehr Alternativen zum Investieren. Sie wirft aber auch mehr Fragen auf. Wo soll er sein Geld am Aktienmarkt am besten anlegen?

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten. Erstens: Der Anleger kennt eine oder mehrere Branchen gut, so dass er ein klares Urteil hat, ob sie ein „Kauf“ oder ein „Verkauf“ sind. Ich habe zum Beispiel mein Leben lang in Banken gearbeitet. Ich kenne mich da etwas aus. Ich würde diesen Sektor derzeit wegen des großen Umstrukturierungsbedarfs nicht als Langfristanlage empfehlen.

Zweitens: Der Anleger orientiert sich am sogenannten Konjunkturmodell. Wenn die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gut läuft, dann steigen vor allem die zyklischen und im Allgemeinen mit einem größeren Risiko verbundenen Werte. Die Risikobereitschaft der Anleger nimmt zu.

Am Anfang der Konjunkturerholung gehen vor allem Grundstoffe wie Stahl und Chemie nach oben. Dann kommen Investitionsgüter wie Maschinen- und Anlagenbau und am Schluss Konsumgüterwerte. Im Konjunkturabschwung sollte man eher in defensive Werte investieren wie Versorger.

Das war lange Zeit eine verlässliche Regel. Inzwischen ist sie jedoch fragwürdig geworden. Zum einen sind viele Unternehmen durch die Restrukturierungen der vergangenen Jahre konjunkturunabhängiger geworden und schwerer in Branchenschemata einzuordnen.

Thyssen beispielsweise verkauft Stahl (= Grundstoff), ist aber auch stark im Maschinenbau (= Investitionsgüter) tätig. Die großen Chemieriesen BASF oder Bayer stellen sowohl industrielle Chemikalien her (= Grundstoffe) als auch Pharmazeutika (= Verbrauchsgüter).

Hinzu kommt, dass Konjunkturzyklen nicht mehr so einfach zu identifizieren sind. In diesen Monaten verlangsamt sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Aktienkurse gehen aber eher nach oben (und keineswegs nur die defensiven Werte).

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