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Analyse Brexit: Schock, aber kein Zusammenbruch

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USA: weder Wachstumsbeschleunigung noch Rezession


Zahlen zur Konjunktur in der Industrie, deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwölf Prozent beträgt, schwankten in den letzten sechs Monaten. Das Öl- und Bergbausegment leidet unter rückläufigen Investitionen. Die neusten Daten des US-amerikanischen Institute of Supply Management weisen auf eine Stabilisierung der Situation hin, vor allem weil die Haushalts- und Investitionsausgaben ihr Niveau halten. Andererseits stehen die US-Exporte wegen des starken Dollars und weltweiter Wirtschaftstrends unter Druck. Und in einem Wahljahr werden die öffentlichen Ausgaben auf US-Bundes- und Kommunalebene weiter steigen.

Die bedeutendste Entwicklung jedoch findet man bei den Arbeitskosten, denn es dauert immer, bis sich diese verändern. Aber nach mehr als sechs Jahren, in denen sich der Arbeitsmarkt erholt hat, macht sich bei Löhnen und Gehältern allmählich ein Aufwärtsdruck bemerkbar. Es ist schwieriger geworden, qualifizierte Mitarbeiter zu finden während die Löhne und Gehälter rasch ansteigen. Der Trend ist nicht beunruhigend, wirkt aber allmählich den positiven Auswirkungen des vorangegangenen Preisrückgangs bei Rohstoffen auf die Unternehmensgewinne entgegen. Die Preisindizes für Vorleistungen steigen ebenso wie die Preise im Dienstleistungssektor und insbesondere die Mieten.

Europa: ernsthafte finanzielle Turbulenzen in naher Zukunft

Der Brexit führt in Großbritannien zu institutioneller Unsicherheit und auch über der Zukunft Schottlands steht jetzt ein Fragezeichen. Mit dem Referendum wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der Befürchtungen über einen Dominoeffekt in anderen Ländern der EU ausgelöst hat. Dort stehen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten mehrere Wahlen an. Laut Artikel 50 des Lissabonner Vertrags wird Großbritannien mit der EU komplexe Gespräche über die Bedingungen des Austritts führen müssen, wobei dem Handel besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. In der Praxis wird der Austritt erst in zwei Jahren wirksam, eventuell noch später.

Diese Vorstellung hat zu ernsthaften finanziellen Turbulenzen in Bezug auf Währungen und Kapitalströme geführt. Aber es lässt sich schwer sagen, wie groß sie sein werden und wie lange sie andauern werden – immerhin ist der Brexit ein bisher einmaliger Vorgang. Die EU wird unter dem Brexit zu leiden haben. Werden sich aber die zugrunde liegenden Trends in der Wirtschaft umkehren?

Man sollte nicht vergessen, dass dieses politisch umwälzende Ereignis in eine Phase fällt, in der die Wachstumstrends in Europa nach oben weisen. Dies ist für viele Beobachter nach wie vor überraschend, auch wenn das Wachstum eher bescheiden und etwas uneinheitlich ist. Frankreich, das bis vor kurzem noch hinter Italien herhinkte, ist mittlerweile ebenfalls Teil eines Trends, der stärker ist als erwartet. Das Wachstum wird durch verschiedene Faktoren angeregt. Dazu gehören zum einen ein wieder zunehmendes Verbrauchervertrauen sowie eine geringere Haushaltsdisziplin, wie nun auch in Deutschland (dank des Haushaltsüberschusses). Zum anderen tragen nachlassende Anstrengungen beim Schuldenabbau, die Bereitschaft der Banken, die Nachfrage nach Krediten zu befriedigen, und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) dazu bei. Die Wirtschaft expandierte im ersten Quartal 2016 gegenüber dem Vorquartal, beziehungsweise Vorjahr, um 0,6 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent. Das ist zunächst nicht gerade spektakulär. Bedenkt man allerdings, dass dieses Wachstum drei Jahre nach dem Ende einer besonders schweren Finanzkrise erreicht wurde, widerlegt es einige voreilige Schlussfolgerungen.

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