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Anleiheexperte erklärt Deflation, Teil 2 Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre und die Deflationsspirale

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Von John Maynard Keynes stammt die Theorie, dass der allgemeine - unter anderem durch den Aktiencrash verursachte - Vertrauensverlust zu einer plötzlichen Erhöhung der Sparquote und damit einem Konsumrückgang führt. Dadurch falle der Umsatz der Unternehmen, die dann ihre Kapazitäten mittels reduzierter Investitionen, Entlassungen und Lohnkürzungen zurückfahren, was wiederum zu einer erhöhten Sparquote aufgrund von Zukunftsängsten führt.

Deflationsspirale



Wird diese Deflationsspirale nicht durchbrochen, so wächst darüber hinaus im Laufe der Zeit die allgemeine Erwartung, dass die Preise auch in Zukunft weiter fallen werden. Dann wiederum wird es profitabel, Geld zu horten statt es zu investieren oder auszugeben; in der Folge dreht sich die Abwärtsspirale immer schneller.

Keynes' Lösungsvorschlag, um die Spirale zu durchbrechen: Regierungen sollten in Abschwungphasen die private Sparquote mittels Schuldenaufnahme oder Steuersenkungen abschöpfen und so den Nachfragerückgang kompensieren. Dieser Empfehlung sind seitdem die meisten Regierungen gefolgt, zuletzt im großen Umfang nach der Finanzkrise 2008/09. So beschloss zum Beispiel die US-Regierung ein Ausgabenprogramm, das das Haushaltsdefizit von 1,3 Prozent des BSP (2007) auf über 10 Prozent (2009) steigen ließ.(2)

Zeitgleich zu Keynes entwickelten Milton Friedman und Anna Schwartz die geldmengenorientierte Theorie des „Monetarismus“: Für sie ist Inflation - und damit auch Deflation - immer ein monetäres Problem, folglich sehen sie die Hauptursache der Depression in der Bankenkrise. Es ist richtig, dass in den 1930er Jahren als Folge des Börsencrashs zahllose durch Aktienpakete besicherte Kredite platzten. Etwa ein Drittel aller amerikanischen Banken, darunter auch einige große Institute wie die New York Bank of the United States, waren gezwungen ihre Schalter zu schließen, und das Eigenkapital der Banken fiel deutlich. Die Geldmenge sank um 35 Prozent, was dazu führte, dass viele Unternehmer keine Kredite bekamen und alte Kredite nicht refinanziert wurden. Dies wiederum ließ die Deflation auf 33 Prozent steigen.

Friedman und Schwartz propagierten daher, dass die Zentralbank durch Zinssenkungen, Liquiditätsspritzen für Schlüsselbanken und Aufkäufen von Staatsanleihen die Geldmenge so ausweitet, dass Konsumenten und Unternehmer genug Geld für Konsumenten- beziehungsweise Investitionskredite zur Verfügung haben und so aus einer Rezession keine Depression wird. Die Maßnahmen der großen Zentralbanken in den vergangenen Jahren, und insbesondere seit der Finanzkrise 2008/09, beruhen auf diesen Empfehlungen. Zur Zeit der Großen Depression in den 1930er-Jahren allerdings, hätte die US-amerikanische Zentralbank diese Methoden, selbst wenn sie es gewollt hätte, aufgrund einer strengen gesetzlichen Vorgabe bezüglich des Goldstandards nicht so anwenden können.

Anfangs wurden beide Theorien kontrovers diskutiert; heute hat sich als Mainstream eine Mischform herauskristallisiert: In normalen Zeiten sollen Nachfrage und Geldmenge auf einem stabilen Pfad gehalten werden. Zeichnet sich aber, wie zum Beispiel in der Finanzkrise 2008/09, die Gefahr einer Depression ab, sollen Regierungen ihre Steuer- und Ausgabenpolitik so anpassen, dass es zu keinem Nachfrageschock kommt, und die Zentralbanken sollen ihre Geldmarktpolitik - wenn nötig mit den oben genannten Mitteln - so gestalten, dass die Volkswirtschaft und insbesondere die Banken mit ausreichend Liquidität und Kapital ausgestattet sind.

Wie schon angesprochen, werde ich im nächsten Blogbeitrag Irving Fishers Theorie der „Schuldendeflation“ erläutern und darauf eingehen, warum eine Deflation für unsere moderne schuldenbasierte Konsumgesellschaft eine Gefahr darstellt.

Fußnote
(1) Z.B. in dem Roman „Die Früchte des Zorns“ des Nobelpreisträgers John Steinbeck

(2) Den zweiten Teil der Empfehlung von John Maynard Keynes, dass nämlich während wirtschaftlicher Aufschwünge Schulden abzubauen sind, haben die Regierungen allerdings ignoriert. Dadurch sind die Schuldenberge der meisten Volkswirtschaften immer nur gewachsen. Für viele Staaten wird es daher immer schwieriger, neue Schulden aufzunehmen, um bei einem erneuten Wirtschaftsabschwung konjunkturfördernd einzugreifen.

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