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Anleiheexperte erklärt Deflation, Teil 2 Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre und die Deflationsspirale

Dieter Hein, Rentenfondsmanager bei der Banque de Luxembourg
Dieter Hein, Rentenfondsmanager bei der Banque de Luxembourg
Ein Gespenst geht um in der Welt, das Gespenst der Deflation

Das war nicht immer so. Vor 1914 waren Deflationen nicht ungewöhnlich. Das lag daran, dass
  • der Goldstandard eine aktive Geldmengenpolitik praktisch unmöglich machte,
  • es noch keine Zentralbanken im heutigen Sinne gab, die eine solche aktive Geldmengenpolitik hätten machen können,
  • und es aufgrund der damaligen Entwicklungen in Industrie und Landwirtschaft sowie der rasanten Globalisierung zum Beispiel durch Eisenbahn und Dampfschifffahrt zu außergewöhnlich hohen Effizienzsteigerungen gekommen war.
Diese damals neuen Technologien begeisterten die Menschen wie heutzutage die Informations-, Nano- oder Biotechnologie, was zu verschiedenen kreditfinanzierten Spekulationsblasen führte. Deren Platzen löste Vertrauenskrisen aus, die wiederum einen allgemeinen Nachfragerückgang zur Folge hatten. Dadurch fielen die Preise für Waren und Dienstleistungen, es kam also zu Deflationen.

Die wohl größte Deflation vor dem Ersten Weltkrieg war die „Gründerkrise“, die übrigens in manchem an die Finanzkrise von 2008/09 erinnert: während der Boomjahre der Gründerzeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es in Deutschland und Österreich zu einer Blase an den Immobilien- und Aktienmärkten, die zu einer Überhitzung der Wirtschaft führte. Die Blase platzte 1873, was zunächst Auswirkungen auf alle anderen Börsenplätze weltweit hatte. In der Folge gingen allein in Deutschland und Österreich über 60 Banken bankrott. Aus der folgenden Vertrauenskrise wurde eine globale Wirtschaftskrise, die aufgrund des oben genannten Nachfrageschocks in eine Deflation mündete.

Aus heutiger Sicht werden diese Deflationen und die mit ihnen einhergehenden Depressionen meistens als Ausgleich zu hoher Wachstumsraten in den Vorjahren gesehen und als Stagnationen bezeichnet. Ihre ökonomischen Folgen aus der historischen Gesamtsicht heraus werden tendenziell sogar als „gut“ oder „sinnvoll“ betrachtet.

Auf die letzte große weltweite Deflation - die große Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre - trifft diese Einschätzung jedoch nicht zu. Aufgrund ihrer Dauer und Schwere sowie der gesellschaftlichen/sozialen Auswirkungen hat sich die „Great Depression“ ins kollektive Gedächtnis, besonders der Vereinigten Staaten, eingeprägt. Diese Krise wurde nicht nur von praktisch allen bedeutenden Ökonomen untersucht, sondern darüber hinaus auch von den großen amerikanischen Kulturschaffenden der Zeit auf verschiedenste Art und Weise verarbeitet.(1)

Auslöser war damals der starke Kursverfall an den amerikanischen Aktienbörsen ab September 1929. Vor allem der 29. Oktober 1929 ist als „Schwarzer Dienstag“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Von seinem Höchststand am 3. September 1929 bis zu seinem Tiefststand am 8. Juli 1932 fiel der Dow Jones Index um fast 90 Prozent auf den Wert seiner Erstnotierung vom 26. Mai 1896.

Der Börsenkrach war natürlich lediglich ein Symptom und nicht die Ursache der Depression. Je nach Überzeugung/Schule entwickelten sich dazu verschiedene Theorien. Die beiden gängigsten Erklärungen möchte ich kurz skizzieren, da sie
  • die Basis der heutigen allgemeinen Interpretation der Entwicklung sind,
  • aufzeigen, welcher Teufelskreis mit einer lang anhaltenden Deflation verbunden ist,
  • und die heutigen Reaktionen von Regierungen und Zentralbanken verständlich machen.
Eine dritte Erklärung für die Große Depression, die sogenannte „Schuldendeflation“, werde ich in meinem nächsten Blogbeitrag aufgreifen, da sie für unsere modernen schuldenbasierten Volkswirtschaften von besonderer Bedeutung ist.

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