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Ansturm auf Staatsanleihen: Angst frisst Hirn

Stephan Albrech, Albrech & Cie.
Stephan Albrech, Albrech & Cie.
Das ist nun wirklich nicht ohne Ironie: Die Währung der Europäischen Union steckt in einer Existenzkrise, die Politiker bringen bislang keine wegweisende Lösung zustande – und ausgerechnet Deutschland, das für den Fall des Scheiterns den Haupt-Nettozahler und Rettungsanker spielen soll, profitiert sehr von dieser Entwicklung.

So kann Finanzminister Schäuble zu historisch niedrigen Zinsen neue Schulden aufnehmen, weil ihm die Anleger die Bude einrennen, nachdem sie Papiere anderer EU-Länder wie heiße Kartoffeln wegwerfen. Ähnlich die Situation in den USA, die ebenfalls zu immer günstigeren Konditionen an Geld kommen: Nur noch 1,93 Prozent musste das Land jüngst für seine zehnjährigen Anleihen zahlen.

Mini-Zinsen trotz hohen Risikos

Mit Verlaub, angesichts dieser Entwicklung muss man sich ernsthaft fragen: Sind die Anleger noch zurechnungsfähig? Wenn Anleihen eines Landes, das vor gigantischen Zahlungen stehen wird, falls die Euro-Krise keine Lösung erfährt, als derart sicher gelten, dass man auf eine Sicht von zehn Jahren keine Realverzinsung dafür haben will, kann von einer rationalen Anlageentscheidung doch keine Rede sein.

Ebenso bedenklich ist, dass die Investoren von den Vereinigten Staaten, die mittels Druckerpresse mit der eigenen Währung auch die Leitwährung der Welt entwerten und damit Inflation exportieren, nur noch Mini-Zinsen erwarten.

Reflex statt Reflexion

Ein bekannter Spruch an der Börse lautet: „Gier frisst Hirn“. Doch offenbar kann auch Angst den Denkapparat in Mitleidenschaft ziehen. Denn nichts anderes als eine Angstwelle treibt die Anleger seit Anfang August massenhaft aus Aktien hinaus und in die angeblich risikolosen Staatsanleihen Deutschlands und der Vereinigten Staaten hinein.

Das ist offenbar ein in langen Jahren erlernter Reflex, der sich in der Investorengemeinde verwurzelt hat. Wie sonst wäre zu erklären, dass dieses Fluchtmuster auch jetzt obsiegt, da sich die Risiko-Parameter grundlegend verschieben – ganz nach dem Motto: Reflex statt Reflexion, unwillkürliches Handeln statt Überlegung!

Emerging Markets: eine Alternative?

Dabei liegt auf der Hand, dass es kaum sinnvoll ist, hoch verschuldeten Staaten, die nicht nur aktuell, sondern dauerhaft (Stichwort: Demographie) in schwierigen Fahrwassern stecken, für Bonsai-Zinsen Geld zu leihen. Ganz anders sieht es mit Beteiligungen an Unternehmen aus, die profitabel wirtschaften, weltweit wachsende Märkte vorfinden, die Kassen voll Cash haben und gute Dividenden zahlen.

Wer zudem auf Staatsanleihen setzen will, kann den Blick in die Emerging Markets richten. Die Finanzen vieler dieser Staaten sind gesünder und das Wirtschaftswachstum sowie die Anleiherenditen höher. Im Gegenzug besteht ein Währungsrisiko, falls der Euro aufwertet. Setzt sich das Wachstum in diesen Ländern fort, dürfte der Euro gegenüber diesen Währungen langfristig aber eher schwächer werden.

Der Autor: Stephan Albrech, Vorstand der Albrech & Cie. Vermögensverwaltung AG, Köln, und einer der Experten von www.vermoegensprofis.de.

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