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Aktualisiert am 16.05.2018 - 16:57 UhrLesedauer: 5 Minuten
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Anzeichen für höhere Gesamtnachfrage Kommt die Inflation – oder kommt sie nicht?

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Für Reflation müssen die Löhne steigen

Der wichtigste Faktor auf der Angebotsseite sind die Löhne. Damit das derzeitige Klima in eine Phase hoher Inflation und echter Reflation übergeht, müssen die Löhne steigen, damit die Arbeitnehmer als Verbraucher optimistisch bleiben. Die aktuelle Lage ist selbst in den USA mit ihrem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt durchwachsen. In einem Land, in dem die Vollbeschäftigung fast erreicht ist, bewegen sich die Löhne nicht vom Fleck. Unter Berücksichtigung des Preisauftriebs ist das Wachstum der Reallöhne nahezu gleich null. Ist das ein Zeichen für strukturell niedriges Produktivitätswachstum und mangelnde Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer? Wenn es diesen gelingt, die Oberhand zu gewinnen, werden die Unternehmen dann über die Preismacht verfügen, um höhere Löhne zu zahlen oder werden die Margen sinken?

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit geht das schleppende Lohnwachstum auf das Konto der Globalisierung. In der ausgeprägten Disinflationsphase in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre wurden der weltweite Handel und Wettbewerb regelmäßig als Hauptverantwortlicher für den Preisrückgang bei Handelsgütern genannt. Bei den globalen Zulieferketten von heute, bei denen in Deutschland gekaufte Jeans bereits eine Weltreise hinter sich haben, bevor sie im Regal im Laden vor Ort landen, hat die Globalisierung nach wie vor große Auswirkung auf die Preise. In einer digital vernetzten Welt wirken dieselben Kräfte zunehmend auch im Dienstleistungssektor sowie in unserem Geschäft. Die Inflation ist inzwischen ein globales Phänomen.

Als weitere deflationäre Kraft wirkt der Technologiefortschritt, der uns ebenfalls weiterhin begleitet. Die Vorteile höherer Produktivität sind zwar nicht in allen Branchen zu spüren. Aber beim Thema Öl, um ein Beispiel zu nennen, sind die Auswirkungen des technologischen Wandels unverkennbar: Horizontalbohrungen und Fracking haben die US-Öl- und Gasbranche neu belebt. Ungeachtet der derzeitigen wohlgemeinten Bemühungen der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ist zu beobachten, dass ein nachhaltiger Ölpreisanstieg die rasche Einrichtung neuer Ölplattformen zur Folge hat, die das Angebot erhöhen und den Preisanstieg begrenzen.

Wird die Reflation von Dauer sein?

Ich bin nicht sicher, ob die Reflation fortbestehen wird. Die Angst vor einer Deflation ist gebannt und in der Eurozone steigen die Preise, wenngleich dies vor allem auf den Basiseffekt steigender Energiepreise zurückzuführen ist. Und auch die Binnennachfrage erholt sich. Die Wirkung des massiven Stimulierungsprogramms in China verblasst jedoch, und das US-Wachstum scheint auf wackligen Füßen zu stehen. Wenn der Markt für inflationsgeschützte US-Staatsanleihen (TIPS) wirklich an den Reflation-Trade glauben würde, würde sich das in den Inflationserwartungen widerspiegeln. Dann würde die sogenannte Breakeven-Inflation für langfristige Anleihen im Vergleich zu Kurzläufern steigen. Seit November 2016 sind die Erwartungen für die Jahre nach 2018 jedoch rückläufig.

Die chinesische Regierung sorgt sich vielmehr, dass ihre Stimulierungsmaßnahmen zu einem Nachfrageüberschuss im Inland und einer Vermögensinflation geführt haben. Während China eine Verlangsamung des strukturellen Wachstums verzeichnet, muss der Rest der Welt mit den chinesischen Überkapazitäten in zurechtkommen, die in der rasanten Wachstumsphase des Landes entstanden sind. Die disinflationäre Wirkung Chinas auf die Preise weltweit war zahlenmäßig moderat, ist jedoch absolut gemessen gestiegen und von erheblicher Bedeutung.

Die Straffung der Geldpolitik in den USA und in China und eine Abkühlung des globalen Wirtschaftszyklus könnten die Preismacht von Unternehmen verringern und deren Gewinnwachstum begrenzen. Das würde die hohen Bewertungen an den Aktienmärkten gefährden. Die Märkte würden eine Atempause einlegen und auf die Bestätigung der Gewinnvorgaben warten. Darüber hinaus könnten die Anleger das Vertrauen in den Trump-Trade verlieren. Vor diesem Hintergrund wäre der Druck auf die US-Zinsen geringer als vom Markt erwartet. Die Anleiherenditen könnten sich dann vor allem in den USA weiterhin in engen Grenzen bewegen. In diesem Umfeld ist es durchaus denkbar, dass Aktien sogar schlechter abschneiden als Anleihen.

Dies ist zwar lediglich eine konträre Perspektive, dennoch müssen wir uns der Folgen bewusst sein. Sie könnten unsere Einschätzungen in allen Bereichen grundlegend verändern. In einem solchen Szenario würde sich eine vorsichtige Positionierung auszahlen.

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Hinweis: Diese Mitteilung des Unternehmens richtet sich ausschließlich an professionelle Investoren. Sie wurde redaktionell nur leicht bearbeitet.
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