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Assenagon-Chefökonom Martin Hüfner „Japan wird systematisch unterschätzt“

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Natürlich ist noch nicht alles in Ordnung. Vor allem die Lohnsteigerungen bleiben hinter dem zurück, was für dauerhaftes Wachstum und nachhaltig höhere Preissteigerung nötig ist. Zudem hinkt Japan in puncto Strukturreformen der Wirtschaft hinterher. Der Arbeitsmarkt etwa ist nach wie vor verkrustet. Die Beschäftigung der Frauen ist zu gering. Das World Economic Forum ordnet Japan in Sachen Geschlechterungleichheit weltweit auf Platz 111 ein, hinter Staaten wie Swasiland, Äthiopien oder Malaysia. Dabei sind die japanischen Frauen außerordentlich gut ausgebildet. Schließlich hat der schwache Yen auf den Devisenmärkten viel zur Verbesserung in Japan beigetragen. Das kann aber nicht ewig so bleiben.

Darüber hinaus gibt es noch eine zweite Erklärung für die Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Börsen-Hausse. Wir messen ganz einfach falsch. Japan wird systematisch unterschätzt. Die übliche Rangliste zum wirtschaftlichen Erfolg der Staaten orientiert sich an der Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts. Hier steht Japan unter den großen Industrieländern in der Tat relativ weit hinten. Seit dem Jahr 2000 beträgt die durchschnittliche Wachstumsrate in Japan 0,9 Prozent. Das ist weniger als halb so viel wie die Expansion beispielsweise in den Vereinigten Staaten (2,0 Prozent).

Pro-Kopf-Einkommen berücksichtigen

Dieser Maßstab ist für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes aber wenig aussagekräftig. Er sagt nichts darüber aus, auf wie viele Menschen sich das Sozialprodukt verteilt. Man sollte daher vielmehr auf das Pro-Kopf-Einkommen schauen. Hier sieht die Rangliste ganz anders aus. Japan hat ein Pro-Kopf-Einkommen von umgerechnet 38.500 US-Dollar pro Jahr. Das entspricht in etwa dem der Briten, der Franzosen oder dem der Einwohner des Euroraums insgesamt. Es ist niedriger als das Pro-Kopf-Einkommen in den USA. Das hängt zum Teil aber mit der Abwertung des japanischen Yens zusammen.

Interessant ist ein Vergleich im Zeitverlauf (siehe Grafik). Seit der großen Finanzkrise 2008 ist das reale Pro-Kopf-Einkommen in Japan nicht langsamer gewachsen als das der USA. In diesem Jahr wird es sogar etwas schneller zunehmen (1,7 Prozent verglichen mit 1,5 Prozent in den USA). Der Grund dafür liegt in der Bevölkerungsentwicklung. In Japan geht die Einwohnerzahl pro Jahr um 0,1 Prozent bis 0,2 Prozent zurück. In den USA dagegen steigt sie jährlich um 0,7 Prozent an.

Das Sozialprodukt verteilt sich in Japan also auf immer weniger Köpfe, in den USA dagegen auf immer mehr. Das hängt natürlich mit der geringen Geburtenrate in Japan zusammen. Darüber hinaus spielt aber auch eine Rolle, dass die Japaner ihre Grenzen für Zuwanderer radikal geschlossen halten. Die USA sind dagegen trotz aller Klagen des amerikanischen Präsidenten nach wie vor ein Einwanderungsland.

Für den Anleger

Der Anstieg der Aktienkurse in Japan in letzter Zeit ist ökonomisch fundiert. Es ist keine Blase, jedenfalls nicht mehr als in anderen Ländern. Viel spricht dafür, dass er weitergehen wird, wenn die wirtschaftlichen Erfolge Japans offensichtlicher werden. Natürlich wird es – wie überall – immer wieder vorübergehende Einbrüche geben. Ausländer, die in Japan investieren, sollten berücksichtigen, dass Kursgewinne in Tokio wegen der Abwertung des Yen wenigstens zum Teil durch Wechselkursverluste aufgefressen werden.

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