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Assenagon Chefvolkswirt Martin Hüfner „Inflation im Euroraum könnte stärker ausfallen als von EZB erwartet“

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Ein Widerspruch

Das ist beruhigend. Bei all den Veränderungen, die sich in den letzten Jahren in der Wirtschaft (und in der Wirtschaftstheorie) ergeben haben, hat sich an dem grundlegenden Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage nichts geändert. Wir können weiter darauf vertrauen.

Das bedeutet aber, dass sich die Preise jetzt wieder stärker erhöhen müssten. Die Konjunktur hat sich in Deutschland und im Euroraum in den letzten Jahren deutlich erholt. Die Wirtschaft wächst schneller als die Kapazitäten. Es gibt Facharbeitermangel allerorten. Zudem gibt es auch von der monetären Seite keine Restriktionen. Die Zinsen sind bei Null und die Liquidität ist so reichlich wie noch nie. Im Übrigen ist auch der Wechselkurs des Euros relativ schwach, sodass es von den Importgütern keine Preisbremse gibt.

Entsprechend diesen Gegebenheiten ist die Geldentwertung in diesem Jahr modellgerecht nach oben gegangen. Sie betrug im letzten Jahr im Euroraum 0,2 Prozent. In diesem Jahr lag sie in den ersten fünf Monaten bei 1,7 Prozent. Das ist schon ein kräftiges Plus. Das passt. Die Konjunktur beschleunigt sich und der Preisanstieg geht nach oben. In den kommenden Jahren stimmen die Prognosen aber nicht mehr. Der konjunkturelle Aufschwung setzt sich nach allen vorliegenden Prognosen fort. Da müsste auch die Inflation weiter nach oben gehen, vielleicht auf 2 Prozent oder mehr. Bei der EZB geht die Rate aber nach unten.

EZB orientiert sich am Ölpreis

Nun kann man für einen langsameren Preisanstieg in den kommenden Jahren ein paar Erklärungen anführen. Der Arbeitsmarkt etwa funktioniert heute nicht mehr so wie früher. Das führt dazu, dass die Löhne langsamer steigen und daher die Kosten der Unternehmen nicht so stark zunehmen. Zudem gibt es immer noch große Unterschiede im Euroraum – siehe beispielsweise Italien, wo das Wachstum nach wie vor zu wünschen übrig lässt. Man kann auch darauf verweisen, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum heute aus strukturellen Gründen geringer ist. Auch in anderen Ländern steigen die Preise nicht so schnell. All das dämpft den Preisauftrieb und erhöht die Unsicherheit bei den Inflationsprognosen. Es kann den Time Lag zwischen Konjunktur und Inflation erhöhen. Es kann aber nicht dazu führen, dass der Preisanstieg bei guter Konjunktur insgesamt zurückgeht.

Der Grund weshalb die EZB-Volkswirte trotzdem zu der Prognose sinkender Inflationsrate kommt, liegt auch woanders. Es sind die Ölpreise. Die Zentralbank nimmt an, dass sie in den nächsten zwei Jahren trotz des Aufschwungs der Weltwirtschaft nicht steigen werden, sondern auf dem gegenwärtigen Niveau verharren. Das ist angesichts der schwierigen Lage auf dem globalen Ölmarkt denkbar. Es scheint mir aber nicht wahrscheinlich.

Vor allem aber: Es kann nicht als Begründung dafür herhalten, die Geldpolitik noch länger so locker zu halten. Die Zentralbank sollte sich nicht an den Ölpreisen orientieren, sondern an den binnenwirtschaftlichen Gegebenheiten. Das hat sie in der Vergangenheit auch immer so gesagt. Ich werde den Verdacht nicht los, dass die EZB die Inflationsprognosen nicht zuletzt deshalb so niedrig ansetzt, um damit ihr Zögern bei der Geldpolitik zu begründen.

Für den Anleger

Gehen Sie davon aus, dass die Preissteigerungen in Zukunft eher höher als niedriger ausfallen. Die EZB bleibt unter Druck, die Liquidität zurückzuführen und die Zinsen zu erhöhen. Wenn sie das nicht tun sollte, dann werden wir Reaktionen am Kapitalmarkt sehen. Die langfristigen Zinsen werden stärker steigen. Die Zinsstruktur wird steiler. Das wird nicht in den nächsten Wochen passieren. Es kommt aber in Gang, sowie wir die höheren Preissteigerungen sehen. Die Aktien könnten profitieren, wenn die Zinsen niedrig bleiben, die Preise aber stärker steigen.

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