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Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner Konjunktur: „Die Stimmung ist deutlich besser als die Lage“

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Seitdem haben sich die Kurven jedoch deutlich auseinanderentwickelt. Das Geschäftsklima ging kräftig nach oben. Die Produktion folgte nur mit großem Abstand. Das wirft Fragen auf. Können wir da dem ifo-Index noch trauen? Was steckt dahinter, dass sich die Realwirtschaft in den letzten Jahren so stark von der Stimmung abgekoppelt hat?

Grundsätzlich kann es an zwei Dingen liegen: Entweder ist das Geschäftsklima zu gut. Die Unternehmen sind euphorisch. Es könnte zum Beispiel sein, dass sie die Bedeutung der politischen Risiken in den letzten Jahren nicht richtig eingeschätzt haben. So etwas kann bei Stimmungen vorkommen. Freilich, wenn man sich die Komponenten des ifo-Indizes genauer anschaut, findet man dafür keine Anhaltspunkte.

Der andere Grund könnte sein, dass die reale Wirtschaftsleistung nicht mit der besseren Stimmung mithalten konnte. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass die Kapazitäten weitgehend ausgelastet sind und einfach nicht mehr produziert werden kann. Die Unternehmen wollen zwar, sie können aber nicht. Sie haben nicht genug Facharbeiter. Konkret – mehr als 2 Prozent reales Wachstum sind in Deutschland derzeit nicht drin, so gut der ifo-Index auch sein mag. Denkbar ist allenfalls, dass dann die Preise stärker steigen.

Das Zurückbleiben des Wachstums könnte auch daran liegen, dass es nicht nur an Facharbeitern, sondern auch an Maschinen und Ausrüstungen fehlt. Seit Jahren sind die Investitionen in Deutschland netto – also abzüglich Abschreibungen – negativ. Es wird zu wenig investiert. Die Unternehmen sagen zwar, dass sie die Konjunktur gut einschätzen. Sie sind aber nicht bereit, die Kapazitäten entsprechend auszuweiten. Im Englischen gibt es dafür den plastischen Ausdruck: "They don't put their money where their mouth is." ("Sie tun nicht das, was sie sagen.").

Diese Diskrepanz kann mit der Kurzfristigkeit der Stimmungsindikatoren zusammenhängen. Die Unternehmen werden immer nur nach der Einschätzung der aktuellen Lage und den Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. Das kann ein falsches Bild geben. Kurzfristig mögen die Unternehmer beispielsweise optimistisch sein. Längerfristig bleiben sie jedoch skeptisch. Deshalb weiten sie die Produktion nicht so stark aus. Das kann an politischen Unsicherheiten liegen. Es kann aber auch damit zusammenhängen, dass die Konjunktur nicht so läuft, wie das eigentlich sein sollte. Derzeit hängt sie beispielsweise stark am privaten Verbrauch. Das ist gefährlich. Ein vom Konsum getragener Aufschwung ist zumindest in Deutschland nicht sehr vertrauenswürdig.

Für den Anleger

Die Aktienmärkte befinden sich derzeit in einer schwierigen Übergangsphase. Der Kursaufschwung des ersten Halbjahres ist wegen der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Zinsen zum Stillstand gekommen. Die Märkte können nur dann stabilisiert werden, wenn jetzt von der Konjunktur besonders gute Signale ausgehen. Gerade in dieser Phase ist es gefährlich, nur auf Stimmungsindikatoren zu schauen. Wenn die Stimmung besser ist als die Lage (der Fake also besser ist als die Facts), kann das am Ende leicht zu Enttäuschungen führen. Leider werden die Zahlen für das reale Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal erst in vier Wochen veröffentlicht, sodass wir bis dahin eine schlechte Datenbasis haben. Solange bleibe ich im Hinblick auf die Konjunktur vorsichtig.

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