Asset Allocation: Implikationen des NSA Skandals
Markus Schuller
Aus Vermutungen wurde Gewissheit. Angeführt von der National Security Authority (NSA / USA) und dem Government Communications Headquarter (GCHQ / UK), spähen die westlichen Nachrichtendienste auch ihre eigenen Mitbürger aus. Selbstverständlich nur zum Wohle der jeweiligen nationalen Sicherheit.
Nun ist ein natürliches Misstrauen gegenüber Regierungen und ihren nachgelagerten Institutionen stets eine gesunde Grundhaltung. In diesem Fall geht es aber nicht um eine temporär übermütige Regulierungsbehörde oder ein schwarzes Schaf bei der Exekutive. Hier sprechen wir über eine systematische Überwachung aller digitaler Spuren eines Bürgers.
Alleine die Liste an neuen Erkenntnissen der letzten Woche ist ausreichend ernüchternd (Sascha Lobo zitierend):
Ein Gedankenexperiment
Bisher blieben die Konsequenzen des NSA/GCHQ Skandals für das Asset Management unreflektiert. Der deutsche Innenminister geht davon aus, dass Wirtschaftsspionage gegenüber Freunden seitens der NSA nicht durchgeführt wurde. Hätten manche Politiker für naive Aussagen persönlich zu haften, würde sie wohl sorgfältiger ihre Quellen überprüfen.
Lassen Sie uns ein Gedankenexperiment durchführen, in dem wir annehmen, die Nachrichtendienste filtern und verwenden marktrelevante Daten. Sie wären damit die weltgrößten unerkannten Insider.
In seinem Artikel „People who make money on Wall Street“ formulierte James Altucher bereits Anfang 2012 treffend, dass neben Investoren mit „unendlicher“ Haltedauer wie Warren Buffett oder jenen mit einer Haltedauer im Millisekunden Bereich (HFT), nur folgende Marktteilnehmer reüssieren:
Doch wie sieht es mit Insidern aus, von denen man nicht weiß, ob sie Insider Information besitzen, weil deren Einsicht zB in geheime Sitzungsprotokolle einer Firma unentdeckt bleibt?
Wer garantiert, dass sich NSA Mitarbeiter nur der Liebe und Loyalität ihrer Ehepartner vergewisserten (Stichwort: LoveInt), nicht aber marktrelevante Information ausspähten und verwendeten? Wer garantiert, dass sich NSA und GCHQ nicht für Business Intelligence von deutschen, technologie-führenden Firmen interessierten (siehe ZDF Dokumentation)? Quasi, Innovation durch die Hintertüre. Oder um Michael Hayden (NSA-Chef von 1999-2005) zu zitieren (Süddeutsche Zeitung): „"Wir stehlen Geheimnisse. Wir stehlen die Geheimnisse anderer Nationen.“
Wie soeben ausgeführt, lässt sich die Annahme für das Gedankenexperiment, nämlich NSA/GCHQ würden markt-relevante Daten filtern und verwenden, durchaus mit einer Reihe von Indizien begründen.
Welche Konsequenzen wären zu ziehen?
Intention dieses Gedankenexperiments ist das Aufzeigen der Dimension des nicht annähernd aufgearbeiteten Skandals von NSA/GCHQ (und vielleicht anderen Diensten). Negative Implikationen sind eben nicht nur für eGovernment, eHealth und Online Banking zu erwarten, sondern auch für den Finanzmarkt und unser Verständnis von Asset Allocation. Ein Aspekt, der bisher nicht ausgeleuchtet wurde.
Unsere Devise: wachsam bleiben. Über den Autor: Markus Schuller ist Gründer von Panthera Solutions, eine Beratungsfirma für strategische Asset Allocation im Fürstentum Monaco. Zuvor war er über zehn Jahre lang als Asset Manager und Produktentwickler bei Banken und Asset Managern tätig. Er kommentiert für diverse Qualitätsmedien den Markt und referiert regelmäßig auf Konferenzen zum Thema Asset Allocation.
Nun ist ein natürliches Misstrauen gegenüber Regierungen und ihren nachgelagerten Institutionen stets eine gesunde Grundhaltung. In diesem Fall geht es aber nicht um eine temporär übermütige Regulierungsbehörde oder ein schwarzes Schaf bei der Exekutive. Hier sprechen wir über eine systematische Überwachung aller digitaler Spuren eines Bürgers.
Alleine die Liste an neuen Erkenntnissen der letzten Woche ist ausreichend ernüchternd (Sascha Lobo zitierend):
- Das "Wall Street Journal" berichtet unter Berufung auf andere Quellen als die Snowden-Leaks, dass die NSA fast alle Daten abgreift, die über die Vereinigten Staaten laufen.
- Die NSA soll laut Guardian Millionen an IT-Konzerne gezahlt haben, um deren Kosten für die Überwachung zu decken.
- Obamas Aussage, die NSA habe ihre Macht nicht missbraucht, stellte sich als unwahr heraus.
- Das Hauptquartier der Uno wurde gezielt und mit hohem Aufwand ausgehorcht.
- Eine Online-Petition, mit der eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu Tempora erreicht werden sollte, hat der deutsche Bundestag gar nicht erst zugelassen.
- Selbst das „sichere“ VPN Netzwerk des französischen Außenministeriums wurde seitens der NSA gezielt gehackt.
- Premier Cameron setzte New York Times und Guardian massiv unter Druck
- Laut Washington Post arbeitet die NSA (Budget: 11 Milliarden US-Dollar / 35.000 Mitarbeiter) an der Cryptocalypse – also jenem Punkt, an dem die derzeit wichtigsten Verschlüsselungsstandards geknackt sind.
- sie wussten von diesen Aktivitäten
- sie wussten davon nichts, ordnen sich aber dem stärkeren Partner unter und schweigen
- sie wussten davon nichts, wollen aber ihre eigene Ohnmacht kaschieren, in dem sie das Thema medial klein zu halten versuchen
Ein Gedankenexperiment
Bisher blieben die Konsequenzen des NSA/GCHQ Skandals für das Asset Management unreflektiert. Der deutsche Innenminister geht davon aus, dass Wirtschaftsspionage gegenüber Freunden seitens der NSA nicht durchgeführt wurde. Hätten manche Politiker für naive Aussagen persönlich zu haften, würde sie wohl sorgfältiger ihre Quellen überprüfen.
Lassen Sie uns ein Gedankenexperiment durchführen, in dem wir annehmen, die Nachrichtendienste filtern und verwenden marktrelevante Daten. Sie wären damit die weltgrößten unerkannten Insider.
In seinem Artikel „People who make money on Wall Street“ formulierte James Altucher bereits Anfang 2012 treffend, dass neben Investoren mit „unendlicher“ Haltedauer wie Warren Buffett oder jenen mit einer Haltedauer im Millisekunden Bereich (HFT), nur folgende Marktteilnehmer reüssieren:
- jene mit illegalem Insiderwissen
- Kongressabgeordnete, da diese lange Jahre Informationen aus vertraulichen Hearings mit Unternehmen für den Eigenhandel verwenden dürfen = legales Insiderwissen. Dieses legale Insider-Trading wurde mit dem „Stop Trading on Congressional Knowledge“ („STOCK“)-Act im April 2012 mit Posaunen und Trompeten abgestellt, nur um diese Abkürzung im April 2013 still und leise wieder zu legalisieren. Verkehrte Welt.
- jene, die Gebühren für ihre Services verrechnen, weil sie meist eine Rechnung stellen, bevor das Produkt am Markt liefern musste – siehe Broker, Advisor oder Investment Banker
Doch wie sieht es mit Insidern aus, von denen man nicht weiß, ob sie Insider Information besitzen, weil deren Einsicht zB in geheime Sitzungsprotokolle einer Firma unentdeckt bleibt?
Wer garantiert, dass sich NSA Mitarbeiter nur der Liebe und Loyalität ihrer Ehepartner vergewisserten (Stichwort: LoveInt), nicht aber marktrelevante Information ausspähten und verwendeten? Wer garantiert, dass sich NSA und GCHQ nicht für Business Intelligence von deutschen, technologie-führenden Firmen interessierten (siehe ZDF Dokumentation)? Quasi, Innovation durch die Hintertüre. Oder um Michael Hayden (NSA-Chef von 1999-2005) zu zitieren (Süddeutsche Zeitung): „"Wir stehlen Geheimnisse. Wir stehlen die Geheimnisse anderer Nationen.“
Wie soeben ausgeführt, lässt sich die Annahme für das Gedankenexperiment, nämlich NSA/GCHQ würden markt-relevante Daten filtern und verwenden, durchaus mit einer Reihe von Indizien begründen.
Welche Konsequenzen wären zu ziehen?
- manche Marktteilnehmer hängen immer noch der Effizienzmarkt-Hypothese als Erklärungskonstrukt nach. Mit der gesetzten Annahme wäre die Hypothese selbst für diese Romantiker widerlegt.
- eine neo-liberale Interpretation des Kapitalismus wäre vollends ad absurdum geführt, würde doch eine effiziente Allokation von Ressourcen von Marktkräften nicht gewährleistet werden können.
- Trading-Strategien, die auf legalem Informationsvorsprung basieren, wären obsolet.
- Trading-Strategien in black boxes wären obsolet.
- Marktteilnehmer (Firmen, Fondsmanager, et cetera) würden sich alleine vor den Sicherheitsdiensten nicht schützen können.
- Fundamentalanalyse wäre in ihrer Aussagekraft stark kompromittiert, würde sie in einer wissensbasierten Volkswirtschaft lediglich sichtbare Ströme im Wissensfluss zwischen/innerhalb von Volkswirtschaften analysieren können.
- Sicherheitsdienste könnten mit ausgewählten Marktteilnehmern Marktpreise beeinflussen und damit Trends setzen/brechen.
- Asset Allokatoren setzen zunehmen Cloud Computing ein, um Services von Drittanbietern zu beziehen (Fonds-Administratoren, Datenanbietern, Accounting Software). Über diese digitalen Schnittstellen würde man den Zugriff für Nachrichtendienste noch erleichtern.
Intention dieses Gedankenexperiments ist das Aufzeigen der Dimension des nicht annähernd aufgearbeiteten Skandals von NSA/GCHQ (und vielleicht anderen Diensten). Negative Implikationen sind eben nicht nur für eGovernment, eHealth und Online Banking zu erwarten, sondern auch für den Finanzmarkt und unser Verständnis von Asset Allocation. Ein Aspekt, der bisher nicht ausgeleuchtet wurde.
Unsere Devise: wachsam bleiben. Über den Autor: Markus Schuller ist Gründer von Panthera Solutions, eine Beratungsfirma für strategische Asset Allocation im Fürstentum Monaco. Zuvor war er über zehn Jahre lang als Asset Manager und Produktentwickler bei Banken und Asset Managern tätig. Er kommentiert für diverse Qualitätsmedien den Markt und referiert regelmäßig auf Konferenzen zum Thema Asset Allocation.