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Ausblick Rentenmarkt „Wir bevorzugen Unternehmensanleihen aus Europa“

Kommer van Trigt, Leiter des Global Fixed Income Macro Teams bei Robeco
Kommer van Trigt, Leiter des Global Fixed Income Macro Teams bei Robeco
Langsames Wachstum und fehlender Preisdruck prägen die Weltwirtschaft. Darüber hinaus sind die Inflationserwartungen trotz einer beispiellosen Lockerung der Geldpolitik weiter zurückgegangen. In diesem Umfeld fallen die Anleiherenditen so gering wie nie aus. Was können Anleger in den nächsten Monaten von den Rentenmärkten erwarten?

In der Eurozone kann die Europäische Zentralbank (EZB) aufgrund von Bestimmungen zu ihrem Quantitative-Easing-Programm ausschließlich langlaufende Anleihen erwerben. Die Regel zum Einlagensatz erlaubt ihr nur den Kauf von Anleihen mit einer Rückzahlungsrendite oberhalb des Einlagensatzes von derzeit -0,4 Prozent. Angesichts des Zinsrückgangs liegen die Renditen von immer mehr Anleihen unter dem Einlagensatz, sodass sie nicht mehr von der EZB gekauft werden dürfen. In der Praxis bedeutet das: Die Mindestlaufzeit von Anleihen, die die EZB erwerben kann, hat sich in Deutschland seit Anfang Juni von fünf auf acht Jahre verlängert. Dies hat einen Zweitrundeneffekt: Angesichts des schwindenden Bestands an Anleihen, die für einen Ankauf durch die EZB in Frage kommen, muss ein höherer Anteil je Anleiheemission erworben werden, um das angestrebte monatliche Volumen von 80 Milliarden Euro zu erreichen. Damit wird es für die EZB auch immer schwieriger, eine weitere Regel für das Programm einzuhalten: die Obergrenze für den Teil einer Anleiheemission, den sie erwerben darf. Diese Obergrenze je Emission liegt bei 33 Prozent.

Knappes Anleiheangebot – Neue Regeln könnten für EZB mehr Spielraum schaffen

Ohne eine Änderung der Parameter für ihr Anleihekaufprogramm wird es für die EZB schwierig werden, zum Jahresende hin Staatsanleihen in Deutschland und in den Niederlanden zu erwerben. Die EZB hat die Möglichkeit, die Obergrenze je Emission für vor 2013 begebene Anleihen zum Beispiel auf 50 Prozent oder mehr anzuheben. Dies würde ihr Spielraum geben, ihre Ankäufe für ein oder zwei Quartale fortzusetzen. Und da diese älteren Anleihen überwiegend am langen Ende der Zinsstrukturkurve zu finden sind, wird sich die EZB bei ihren Anleihekäufen erneut auf diesen Teil der Kurve konzentrieren.

Eine andere, einschneidende Option, um auf das knappe Angebot zu reagieren, wäre eine Aufhebung der Regel zum Kapitalschlüssel, dem Anteil der nationalen Zentralbanken der Eurozone am EZB-Kapital. Zurzeit verteilt die EZB ihre Staatsanleihekäufe in der Eurozone entsprechend diesem Verhältnis. Die jeweilige Höhe richtet sich nach der Größe eines Mitgliedsstaats im Verhältnis zur gesamten Europäischen Union, wobei diese jeweils zur Hälfte an der Bevölkerung und am Bruttoinlandsprodukt gemessen wird. Würde man die Verteilung der Anleihekäufe ausgehend von den ausstehenden Schulden (Marktkapitalisierung) verändern, würde dies italienische Anleihen zu Lasten deutscher Anleihen enorm begünstigen. Die ausstehenden Staatsschulden Italiens sind in nominaler Betrachtung höher, die Wirtschaftsleistung aber niedriger. Wir halten diese Option zum gegenwärtigen Zeitpunkt für politisch hoch kontrovers. Es wäre ein Schritt in Richtung Eurobonds. Bei einer Gefahr für den Fortbestand des Eurosystems, beispielsweise durch den Brexit oder den Zusammenbruch des italienischen Bankensektors, könne man aber nichts ausschließen.

Langlaufende Anleihen aus den USA und der Eurozone bevorzugt

Da weitere Zinssenkungen in den USA und in der Eurozone wenig wahrscheinlich sind, bevorzugen wir nach wie vor langlaufende Anleihen. In den USA nähert sich die Rendite für 30-jährige Papiere der Zwei-Prozent-Marke. Geht man von der Zinsstrukturkurve für den US-Geldmarkt aus, sind Zinserhöhungen in den nächsten beiden Jahren ausgeschlossen. Wenn man das Verhältnis von Rendite zu Risiko betrachtet, besitzen langlaufende US-Staatsanleihen das größte Wertpotenzial. In der Eurozone erwarten wir, dass das Segment für 30-jährige Papiere in Deutschland – wie oben ausgeführt – von weiteren geldpolitischen Maßnahmen der EZB profitieren wird.

Brexit begünstigt britische Staatsanleihen

Das überraschende Ergebnis des Brexit-Referendums ist positiv für britische Staatsanleihen. Das Geschäfts- und Konsumklima in Großbritannien dürfte sich deutlich eintrüben. Die britische Notenbank wird möglicherweise ihr Quantitative-Easing-Programm wieder aufnehmen. Der britische Staatsanleihenmarkt, der in den letzten Jahren mehr Parallelen zum US-Staatsanleihenmarkt aufwies, wird sich an die Dynamik der Anleihemärkte der Eurozone angleichen.

Selektives Vorgehen bei Unternehmensanleihen

In der jetzigen Spätphase des Kreditzyklus nimmt die Verschuldung zu, vor allem bei US-Unternehmen. Deshalb ist Vorsicht geboten. Wir bevorzugen den europäischen Unternehmensanleihemarkt und insbesondere nachrangige Papiere aus dem Finanzsektor. Dieses Segment steht durch Befürchtungen im Hinblick auf den Brexit und der Sorge um Italiens Bankensektor seit Jahresbeginn unter Druck. Unserer Meinung nach bietet das aktuelle Bewertungsniveau einen ausreichenden Puffer. Das Ankaufprogramm der EZB für Unternehmensanleihen wird auch in diesem speziellen Segment positive sogenannte Spillover-Effekte haben.

Positive Haltung zu Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern

Bei Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern sehen wir Chancen: Diese Anleihekategorie – die in diesem Jahr mit ihrer Performance glänzt – hat noch Luft nach oben. Die unmittelbare Bedrohung durch eine Zinserhöhung der Fed ist erst einmal verschwunden. Deshalb können Anleger ihren Blick stärker auf den attraktiven Renditeabstand zu den Anleihemärkten der Industrieländer richten. Die Mittelflüsse belegen, dass das Interesse an diesem gebeutelten Segment des Rentenmarkts allmählich zurückkehrt.shalb können Anleger ihren Blick stärker auf den attraktiven Renditeabstand zu den Anleihemärkten der Industrieländer richten. Die Mittelflüsse belegen, dass das Interesse an diesem gebeutelten Segment des Rentenmarkts allmählich zurückkehrt.“

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