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Ausschütten oder thesaurieren? Wie sich Anleger für die richtige Anteilsklasse entscheiden

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Ein Anleger in der Portfolio-Entsparphase (Vermögensnutzung/-verbrauch) sollte grundsätzlich die Entnahmen aus dem Portfolio zu Rebalancing-Zwecken einsetzen, um, wie oben, Transaktionskosten zu neutralisieren oder minimieren. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen besitzen T-Fonds den Vorteil, dass mit Anteilsverkäufen Rebalancing einfacher und zielgerichteter vorgenommen werden kann als mit A-Fonds, da es bei diesen zu kostenmäßig nachteiligen Szenarien kommen könnte. Ein Beispiel: Die Ausschüttungen übersteigen den Cash-Bedarf des Anlegers, fließen aber aus der für Rebalancing-Zwecke falschen Portfoliokomponente. Nun muss der Anleger einerseits einen Teil der Ausschüttungen reinvestieren und zweitens an anderer Stelle gleichzeitig Anteilsverkäufe vornehmen. Das führt gegenüber einer reinen T-Fonds-Situation vermutlich zu unnötig hohen Transaktionskosten, mehr Komplexität und mehr Arbeitsaufwand.

In der Steuerwelt, die bis zum 31.12.2017 gilt, hatten T-Fonds den "Nachteil", dass der Anleger seine Steuerbescheide aufheben musste, um eine mögliche (nicht jedoch definitive) Doppelbesteuerung der thesaurierten und bereits vorher jährlich versteuerten Dividenden bei einem späteren Verkauf der Fondsanteile zu verhindern. [7] Mit der Reform des Investmentsteuergesetzes (InvStG), die zum 01.01.2018 in Kraft tritt, entfällt dieser "Nachteil" für alle Steuerjahre ab 2018.

Zum Schluss wollen wir der Vollständigkeit halber noch einen Pseudonachteil von T-Fonds adressieren: Die Liquidität, die zur Begleichung der oben genannten steuerlichen Vorabpauschale (also der Steuerzahlung) notwendig ist, muss der Anleger bei T-Fonds, anders als bei A-Fonds – "von außen" zuführen, weil die Liquidität für die Steuerzahlung von der Depotbank in diesem Fall eben nicht von den einmal oder zweimal jährlich stattfindenden Ausschüttungen abgezogen werden kann (sofern die kumulative Steuerschuld die Höhe des anlegerspezifischen Freistellungsauftrages bei der betreffenden Depotstelle überschreitet). Das ist jedoch ein rein psychologischer Nachteil, der für einen rational handelnden Anleger keine Rolle spielen sollte. Ob eine Steuerzahlung aus dem Fondsvermögen oder aus dem sonstigen Vermögen des Anlegers erfolgt, ist ein Linke-Tasche-rechte-Tasche-Effekt und somit wirtschaftlich bedeutungslos.

Fazit

Dieser Newsletter wollte zeigen, wann ausschüttende Fonds und wann thesaurierende Fonds zu bevorzugen sind. Die konkrete Antwort auf die Anlegerfrage "ausschüttende oder thesaurierende Fonds – welche sind vorzuziehen?" hängt in erster Linie davon ab, ob sich ein Anleger in der Anspar- oder Verbrauchsphase befindet und wie hoch die in der absehbaren Zukunft erwarteten etwaigen Entnahmen relativ zu den erwarteten Ausschüttungen eines in Frage kommenden ausschüttende Fonds sein werden.

Verallgemeinernd hat unsere Szenario-Analyse gezeigt, dass (a) die kostenmäßigen und steuerlichen Unterschiede für Anleger zwischen ausschüttenden und thesaurierenden Fonds vermutlich oft überschätzt werden und dass (b) die meisten rational agierenden Anleger mit thesaurierenden Fonds in vielen relevanten Konstellation leicht und manchen deutlich besser stehen. Die Betonung liegt dabei auf "rational agierende Anleger". In emotionaler Perspektive haben ausschüttende Fonds für "irrationale" Anleger die gefühlten Vorteile, dass bei ihnen keine oder weniger Anteilsverkäufe notwendig sind, sie sich über Dividendenzahlungen auf das Verrechnungskonto mehr freuen können als über betragsgleiche Anteilspreissteigerungen und dass sie keine oder weniger Steuerliquidität von außerhalb des Portfolios beschaffen müssen.

Fußnoten

[1] Alle Aussagen zu Steuern unterstellen, dass der Anleger in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, die Fondsanteile im Privatvermögen gehalten werden und sich die Depotstelle in Deutschland befindet.

[2] In bestimmten Szenarien können (typischerweise geringe) Unterschiede in einem gegebenen Steuerjahr bestehen. Diese gleichen sich intertemporal jedoch später wieder aus. Wir ignorieren sie daher.

[3] Bei einem europaweit oder global diversifizierten normalen Aktienportfolio lag die Dividendenrendite in den vergangenen zehn Jahren bei etwa 2,7 Prozent.

[4] Bei reinen Anleihenfonds ändert sich die Besteuerung gegenüber dem Status Quo nur unerheblich.

[5] Rebalancing ist das periodische "Wieder-auf-Kurs-Bringen" der Asset-Allokation im Portfolio. Da die einzelnen Portfoliokomponenten unterschiedliche Renditen haben, wird sich eine solche Kursabweichung beinahe unweigerlich ergeben. Wenn der Anleger rational handelt, wird er solche Veränderungen im Zeitablauf korrigieren.

[6] Zum Beispiel im Wege von Rebalancing-Toleranzbändern oder kalendermäßig, also z. B. fortlaufend, jährlich, zweijährlich usw. In der Praxis werden diese Methoden üblicherweise kombiniert.

[7] Streng genommen gilt diese Aussage nur für thesaurierende Fonds mit Fondsdomizil im Ausland. Bei ETFs sind ca. 95 Prozent aller in Deutschland vertriebenen Fonds im Ausland aufgelegt (primär in Irland und in Luxemburg). Aufgrund des im Text beschriebenen "Nachteils" wurden thesaurierende ETFs in der Vergangenheit auf verschiedenen Finanzportalen als "steuerhässlich" oder "steuerschwierig" bezeichnet (versus "steuereinfach" für ausschüttende ETFs). Diese schon immer eher unsinnige Unterscheidung fällt nun weg.

Die Autoren, Dr. Gerd Kommer und Alexander Weis, sind Mitarbeiter der Gerd Kommer Invest GmbH, München. Das Unternehmen berät vermögende Privatkunden, kleine und mittlere Unternehmen, Family Offices und Stiftungen. Die Übernahme des Beitrags erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Gerd Kommer Invest.

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