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Aussichten für die Europäische Wirtschaft „Viele verstehen nicht, warum Draghi das tut“

Andreas Höfert, Chefvolkswirt der UBS
Andreas Höfert, Chefvolkswirt der UBS
DAS INVESTMENT: Herr Höfert, wann geht es mit der Wirtschaft in der Eurozone wieder aufwärts?

Andreas Höfert: Tja, wenn wir das wüssten. Immerhin standen im Dezember die Zeichen auf Grün.

Welche Zeichen?

Der Kurs des Euro stand deutlich tiefer. Das half Ländern, die unter dem starken Euro gelitten hatten. Der gefallene Erdölpreis ist ein sehr positiver Aspekt. Und dann ist die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal sehr gut gewachsen. Und wenn es Deutschland gut geht, dann sollte es auch dem Rest von Europa einigermaßen gut gehen.

Wie kommen Sie denn auf diesen Zusammenhang? Die anderen finanzieren doch den deutschen Export.

Interessanterweise liegen die Exportziele von Deutschland seit Einführung des Euro mehr und mehr außerhalb von Europa.

Dabei sollte ein Binnenmarkt entstehen.

Das klappt aber nicht, wenn man seine eigenen Kunden zum Sparen zwingt.

Das geht noch nicht lange so.

Die Krise dauert schon fünf Jahre.

Davor lagen zehn Jahre Euro ohne sparen.

In der Tat, und davon hat Deutschland auch sehr profitiert. Und jetzt ist es so, dass viele Länder nach Deutschland exportieren. Damit haben sie durch den deutschen Aufschwung Vorteile. Wir denken, dass die Wirtschaft der Eurozone in diesem Jahr um 1,5 Prozent wachsen kann.

Was aber nur ein Durchschnitt ist.

Wahrscheinlich liegt Deutschland auf diesem Mittelwert. Aus einigen Peripherieländern könnten höhere Werte kommen, zum Beispiel Spanien und Portugal. Irland wird vielleicht sogar Wachstumsmeister. Auf der anderen Seite werden Italien und Frankreich wahrscheinlich hinterherhinken.

Warum kommen ausgerechnet die Krisenländer stärker zurück?

Was tief gefallen ist, kommt irgendwann wieder herauf. Außerdem gab es Reformen, die Lohnstückkosten sind gefallen, die Länder exportieren wieder mehr. Das zeigen auch die Zahlen der Exporte von Spanien nach Deutschland. In Frankreich und Italien passiert in dieser Richtung nicht viel.

Was hat Spanien richtig gemacht?


Das Land hatte eine enorm hohe Arbeitslosenquote von mehr als 25 Prozent. Damit konnte die Wirtschaft die Löhne senken und wettbewerbsfähiger werden. Das schob die Exporte an – die lange Zeit stark defizitäre Handelsbilanz ist inzwischen ausgeglichen und sogar leicht positiv.

Sinkende Löhne erzeugen auch Deflation. Warum stemmt sich die Europäische Zentralbank so vehement dagegen?

Sie hat nichts dagegen, wenn es in Spanien und Griechenland passiert. Sie hat etwas dagegen, wenn es in Gesamteuropa passiert. Viele verstehen gar nicht, warum Mario Draghi das tut, was er tut.

Ich übrigens auch nicht.

Die EZB ist nicht wegen der negativen Inflation in der Peripherie beunruhigt, sondern weil die Inflationserwartungen seit August rasant zurückgehen. Deflation ist nicht sinkende Preise – Deflation ist, wenn man sinkende Preise erwartet. Dann stellt man sein gesamtes ökonomisches Verhalten um. Wenn Sie wissen, dass ein Auto nächstes Jahr billiger ist, werden Sie den Kauf wahrscheinlich verschieben.