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Bankensektor vier Jahre nach Lehman: Sackgasse oder Wiedergeburt?

Pierre Ciret, Edmond de Rothschild Asset Management
Pierre Ciret, Edmond de Rothschild Asset Management
Seit 2007 stehen Banken vor einer praktisch noch nie dagewesenen Situation. Weil sie zuvor zu viele Risiken eingegangen waren, haben zahlreiche Institute in den letzten Jahren mit sehr schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, angespannten Finanzkreisläufen und massiven operativen Beschränkungen zu kämpfen. Der Finanzschock von 2008/2009 hat die Regulierungsbehörden auf den Plan gerufen, die Arbeitsweise von Banken zu reformieren. Die Staatsschuldenkrise in Europa machte dies umso dringender. Gleichzeitig wird sich der Bankensektor neuen Gegebenheiten anpassen und sein Wirtschaftsmodell sowie die interne Organisation einer ernsten strategischen Analyse unterziehen müssen.

Status Quo: Europäische Banken und die Staatschuldenkrise

Die Geldinstitute in Europa sind dem globalen Bankenrisiko am stärksten ausgesetzt, weil ihre Bilanzen drei zentrale Schwächen vereinen. Erstens sind die Institute – als unbeabsichtigte Konsequenz der Basel-II-Vorschriften – in Staatsanleihen engagiert. Die zweite Schwäche liegt in der Abhängigkeit von Fremdfinanzierungen, da die Einlagen die ausstehenden Kreditforderungen nicht decken. Beide Schwächen zusammen bewirkten eine Veränderung des operativen Umfelds. Die Finanzierungsquellen für die am stärksten gefährdeten Banken trockneten vollständig aus, versiegten zu einem beträchtlichen Teil oder wurden unerschwinglich teuer. Die erhöhte Wahrnehmung des Kontrahentenrisikos sorgte am Interbankenmarkt für Turbulenzen und zwang die EZB, Liquidität bereitzustellen. Die dritte und bedeutendste Schwäche aber sind die klassischen Kreditengagements, da sich die Konjunktur im Zuge der Bemühungen um eine Reduzierung der Staatsdefizite abschwächt oder sogar in eine Rezession übergeht. Zahlreiche Kreditinstitute wurden bereits restrukturiert, wobei aber zwangsläufig noch mehr auf sie zukommen dürfte. Die Überwindung der aktuellen Situation wird Zeit brauchen.

Die Zukunft liegt sicherlich darin, die Institutionen in der Eurozone und der gesamten EU zu verbessern. Schritte wie die Schaffung von EFSF und ESM wurden bereits gegangen. Wenn aber das System vollständige Stabilität genießen und das Ansteckungsrisiko eingedämmt werden soll, muss eine föderale und nicht nur zwischenstaatliche Struktur geschaffen werden. Beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni wurde das Konzept für eine Bankenunion umrissen, die der Währungsunion durch die Errichtung einer einheitlichen und verstärkten Bankenaufsicht den letzten Schliff geben würde. Deren Verquickung mit der EZB und den nationalen Zentralbanken wird zwangsläufig Fragen der Unabhängigkeit aufwerfen. Merkwürdigerweise gab es während des Gipfels kein offizielles Statement zu einer möglichen gemeinsamen Einlagensicherung. Diese wird jedoch Teil der Vereinbarung sein müssen, wenn der Abfluss spanischer und griechischer Bankeinlagen gestoppt werden soll. Eine Bankenunion würde auch die Einrichtung von Verfahren zur Regelung von Staatsinsolvenzen bedeuten.
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