Bei Vermögensverwaltern nachgefragt Was machen Sie seit der Lehman-Krise anders?
Andreas Görler: "Hauptarbeit war, unsere Kunden vor Kurzschlussreaktionen zu bewahren"
Ihre prägendsten Erinnerungen an die Zeit der Finanzkrise rund um den Lehman-Zusammenbruch?
Andreas Görler: Schon einige Monate vorher musste die Investmentbank Bear Stearns von J.P. Morgan übernommen werden. Die Schwierigkeiten begannen schon 2007, als das Unternehmen drei Hedge Fonds schließen musste, die in strukturierte Kreditstrategien investierten. Das waren die ersten prägnanten Vorboten.
Auch vorher gab es Krisen wie Golfkrieg, den Zusammenbruch des neuen Marktes, die geplatzte Dotcom-Blase, oder die Staatskrisen in Mexiko, Argentinien, Ukraine und Russland. Dass aber sämtliche Anlageklassen ins Minus geraten, hatte ich vorher noch nicht erlebt.
Wie waren damals Ihre Kundenportfolios aufgestellt, und was haben Sie daraufhin verändert?
Ich hatte zumindest keine Zertifikate von direkt betroffenen Emittenten im Depot. Allerdings war fand ich auch damals, dass zu einem gut ausbalancierten Depot ein Aktienanteil von circa 50 Prozent gehört. Insbesondere für Kunden, die sich erst ein bis zwei Jahre vorher für Aktienanlagen entschieden hatten, entstanden zunächst Buchverluste in den Depots. Die Hauptarbeit bestand für mich aber darin, Kurzschlussreaktionen von Kunden zu vermeiden. Leider konnte man nicht jeden überzeugen, die Bestände zu halten oder gar aufzustocken.
Haben Sie aus der Krise Schlussfolgerungen gezogen und machen seitdem etwas anders?
Man muss versuchen, auch unmögliche Szenarien zumindest durchzuspielen. Das Emittentenrisiko auch bei großen Adressen muss stärker geprüft werden. Außerdem kommt der Liquidität der gewählten Anlage eine größere Bedeutung zu. Kaufen ist meist leichter als verkaufen!
Hat sich die Einstellung Ihrer Kunden zum Thema Finanzanlage durch die Krise verändert?
Nicht wirklich. Es war leider schon vorher so, dass deutsche Kunden extrem niedrige Aktienquoten in ihren Portfolios halten. Kurz nach der Krise war es noch schwerer, Kunden für Aktien zu begeistern. Nur wenige haben die strukturelle Krise auch als Chance gesehen. Im Gegenteil wurden in dieser Phase verstärkt Garantiefonds in Kundendepots integriert. Diese Anleger waren bei der anschließenden Erholung nicht wirklich dabei.
Sehen Sie an den Finanzmärkten aktuell einen neuen Krisenherd?
Strukturelles Problem sind die extrem hohen Staatsverschuldungen von Industrieländern. Zudem bietet das sehr niedrige Zinsniveau keinen Spielraum mehr, um steuernd einzugreifen. Nur die USA haben sich wieder eine gewisse Handlungsfähigkeit aufgebaut. Der US-Technologiesektor scheint überbewertet, leichteste Enttäuschungen der Gewinnerwartungen führen zu teils überzogenen Reaktionen. Zusätzlich sorgt der Handelskonflikt für Verunsicherung. Außerdem stellt der globale Anleihemarkt, der wesentlich größer als der Aktienmarkt ist, eine extreme Herausforderung dar. Anleihen mit einem Volumen von etwa 8 Billionen Euro weisen aktuell eine negative Rendite aus. Wenn man von Blasenbildung spricht, gehört der weltweite Bondmarkt sicherlich dazu.