LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Lesedauer: 8 Minuten
ANZEIGE

Bellevue Marktkommentar Angst vor Veränderung schafft Anlagechancen

Bis zum vergangenen Herbst bot der US-amerikanische Gesundheitssektor attraktive Einstiegschancen. Denn: Die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Affordable Care Act (ACA) bereiteten den Investoren Sorgen und verursachten eine Unterbewertung von Aktien aus dem Healthcare-Sektor.

Auch die gegenwärtige Situation wirkt sich günstig aus: Die im Zuge der Präsidentschaftsvorwahlen angestoßenen Debatten über Preiskontrollen, die mögliche Einführung eines Single-Payer-Systems oder auch die vollständige Aufhebung des Affordable Care Act verschreckte die Börse. Angesichts der vielstimmigen und widersprüchlichen politischen Diskussion, einer drohenden Zinswende und einer US-Wirtschaft, die Fahrt aufzunehmen schien, entschieden sich die Anleger für Gewinnmitnahmen und deutlich risikoärmere Investments. Der Fall ist jedoch nicht eingetreten – Janet Yellen beließ die Zinsen weiterhin auf niedrigem Niveau, und auch die Verunsicherung aufgrund des Brexit bleibt weiterhin bestehen.

Gute Nachrichten

Für Healthcare-Anleger sind dies gute Neuigkeiten, da die Ertragslage der Branche 2017 besser auszufallen scheint als erwartet. Die Einschätzung der Healthcare-Experten für die kommenden Jahre ist daher ausgesprochen positiv – sowohl in Bezug auf die relative Bewertung gegenüber dem S&P 500 als auch das im historischen Vergleich niedrige KVG- und KVG-Wachstums-Verhältnis (PE/G-Ratio). Dies gilt insbesondere für die Bereiche Biotech und Generika sowie für den medizinischen Dienstleistungssektor. Günstige relative Wachstumsaussichten und eine hohe Cashflow-Generierung lassen auch den Medizintechniksektor weiter attraktiv erscheinen, obwohl er sich im Jahresverlauf bisher am besten entwickelte.

Die öffentliche Debatte über die Gesundheitspolitik in den USA wird sich bis zu den Wahlen im November wiederholt anheizen und wieder abkühlen und die Volatilität der Gesundheitsaktien wird parallel wachsen und fallen. Für Investoren ergeben sich daraus interessante Investmentchancen.

Das Rauschen ausblenden

Die Portfolio Manager sind überzeugt davon, dass Anleger das tägliche „Rauschen“ der politischen Diskussion ausblenden und sich vergegenwärtigen sollten, dass die Gesundheitsbranche ein Teil der Lösung ist, nicht etwa das Problem. Folgende Faktoren sollten Investoren bei ihren Anlageentscheidungen in den nächsten Wochen berücksichtigen:

1)    Der Ausgang der Präsidentschaftswahl ist derzeit völlig offen. Unabhängig davon, wer das Rennen macht, dürften die Republikaner zwar einige Sitze einbüßen; ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus und höchstwahrscheinlich auch im Senat werden sie jedoch behaupten. Mit plötzlichen Gesetzesänderungen ist daher nicht zu rechnen.

2)    Der effektivste Weg zur Kappung der enormen Kosten im Gesundheitswesen führt vermutlich über die US-Bundesstaaten. Die in Massachusetts, New York und Kalifornien ergriffenen Maßnahmen legen nahe, dass sich die Kostenexplosion auf diese Weise am ehesten in den Griff bekommen lässt.

3)    Wenn sich diese Einschätzung als korrekt erweist, könnten Innovation und Konsolidierung die heißesten Investmentthemen im Jahr 2017 und darüber hinaus werden.

Enorme Gesundheitskosten

Die medizinischen Kosten in den USA sind enorm: Über 17 Prozent des Bruttoinlandprodukts geben die Vereinigten Staaten von Amerika für die Gesundheit ihrer Bürger aus – mehr als jede andere Industrienation. Zwar steht die Schweiz mit 11,5 Prozent Gesundheitsausgaben an zweiter Stelle; allerdings übersteigt das Pro-Kopf-BIP das der Vereinigten Staaten auch um 60 Prozent.

Gesundheitsausgaben in dieser Höhe sind eindeutig zu hoch, sowohl für die US-Wirtschaft als auch für den Staatshaushalt. Obamas Affordable Care Act sollte auch den weniger wohlhabenden Amerikanern den Zugang zu Gesundheitsleistungen eröffnen und gleichzeitig den Kostenanstieg deckeln. Leider leistete die Reform weder das eine noch das andere. Statt dessen bürdete sie der Mittelschicht eine enorme Steuerlast auf und dürfte somit einer der Gründe für die Konsumzurückhaltung gewesen sein, die die wirtschaftliche Erholung der USA in den vergangenen sechs Jahren verlangsamte.