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Berufsunfähigkeitsversicherung Wann wird eine Lüge im BU-Antrag zum Haftungsfall für den Vermittler?

Beim Beantragen einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) müssen Kunden umfangreiche Fragebögen zu ihrem Gesundheitszustand in den vergangenen Jahren ausfüllen. Foto: berwis / <a href='http://pixelio.de' target='_blank'>pixelio.de</a>
Beim Beantragen einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) müssen Kunden umfangreiche Fragebögen zu ihrem Gesundheitszustand in den vergangenen Jahren ausfüllen. Foto: berwis / pixelio.de
Für Juristen hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 25. November (Aktenzeichen: IV ZR 277/14) zwar Klarheit geschaffen. Für Laien stellt sich aber die Fragen, was das Urteil für sie konkret im Alltag des deutschen Versicherungsvertriebs bedeutet. Die sechs wichtigsten Fragen für Praktiker beantwortet Rechtsanwalt Holger Panzig, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Potsdam:

Warum hat das BGH-Urteil eine solch hohe Bedeutung?

Das Urteil hat klärenden Charakter. Im Ergebnis ist es für mich nicht überraschend. Die Gesetzeslage ist klar, wie auch klar war und ist, dass Paragraf 21 Absatz 3 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) als Anpassung der Rücktrittsmöglichkeiten an die Regelungen zur Anfechtung gedacht war und nicht umgekehrt. Immerhin ist die Anfechtung mit den damit verbundenen Wirkungen die für den Versicherungsnehmer (VN) im Verhältnis zum Rücktritt schärfere Sanktion. Hier gab es keine Regelungslücke, die zu schließen galt.

Das Urteil ist für solche Fälle heranziehbar, in denen der Versicherer (VR) nach mehr als zehn Jahren nach Vertragserklärung wegen Arglist anficht und sodann meint, die Überschreitung führe nicht zur Unwirksamkeit der Anfechtung, weil man im Rückgriff auf Paragraf 21 Absatz 3 VVG auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles abstellen müsse.

Für den Praktiker enthält die BGH-Entscheidung aber noch weitere Klarstellungen. Denn es stand auch in Rede, ob der VR nicht auch auf Anspruchsgrundlagen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zurückgreifen kann, um dem vom VN geltend gemachten Anspruch zu begegnen. Und zwar stieß dem VR natürlich auf, dass der VN Jahre mit der Geltendmachung der Versicherungsleistung (2012) nach Eintritt des Versicherungsfalls (2008) gewartet hatte. Der VR warf dem VN Verstoß gegen Treu und Glauben vor, berief sich auf Verschulden bei Vertragsschluss wegen Täuschung und erhob die in Paragraf 853 BGB normierte Arglisteinrede wegen unerlaubter Handlung. Diesen Ansprüchen hat der BGH eine klare Absage erteilt, weil die Vorschriften des VVG nun mal spezieller als die des BGB sind.

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Beratungspraxis von Vermittlern und die künftige Vertragsgestaltung von BU-Versicherern?

Welche Bedeutung dieses Urteil für die Beraterpraxis hat, weiß der Berater in der Regel besser, als es ein Rechtsanwalt beurteilen kann. Geändert hat sich nichts. Zehn Jahre sind zehn Jahre. Anfechtung ist Anfechtung und Rücktritt ist Rücktritt, so wie jede Möglichkeit ihre eigenen Regelungen im VVG hat. Anzumerken wäre, dass die Kommentierung zu Paragraf 21 Absatz 3 Satz 2 VVG die dort geregelte Zehnjahresfrist für den Rücktritt auch, wie bei der Anfechtung, als absolute Ausschlussfrist sieht*.

Bei den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVBs) der VR könnte sich jedoch etwas tun, falls es nicht ohnehin schon geschehen ist. Denn das Ärgerliche für den VR in unserem Fall ist ja der lange Zeitraum zwischen Eintreten des Versicherungsfalls und der Anzeige desselben gewesen. Was hindert die VR im Rahmen ihrer AVB eine Anzeigefrist als Obliegenheit im Versicherungsfall zu formulieren? Meines Erachtens nichts.

Wenn das kommt oder es eine solche Obliegenheit schon gibt, dann ist der Berater des VN gefragt. Und zwar einerseits bei der Suche des geeigneten VR, und zwar möglichst einen, der keine Anzeigefrist in den AVB enthält. Zu Zweiten im Bereich der Betreuung des vertraglich schon gebundenen Kunden, wenn der VR im laufenden Vertragsverhältnis die AVB mit dem Einschub einer solchen Obliegenheit ändert. Das muss der VN sich nicht gefallen lassen. (Widerspruchsfrist)

Zum Dritten  ist der VN über diese Frist vom Betreuer zu belehren (Dokumentation), wenn der Versicherungsfall eingetreten ist, vorausgesetzt natürlich, der Berater / Betreuer weiß vom Versicherungsfall. Dann muss er darauf hinwirken, dass der VN an die Anzeigefrist denkt. Der VR, der ja vom Versicherungsfall  nichts weiß, kommt ja nicht in die Situation, dazu extra belehren zu müssen. Hier steckt ein hohes Haftungspotential für den Berater und Betreuer, aber auch die Möglichkeit, ein langjähriges Betreuungsverhältnis mit enger Bindung des Kunden begründet aufzubauen. Diese Konsequenzen sind sicherlich nicht abschließend und können nur eine Anregung sein.


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