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Rechtsanwalt erklärt So bemisst sich der BU-Grad in der Berufsunfähigkeitsversicherung

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Die rechtliche Würdigung des BGH

Die Revision hatte Erfolg. Der BGH gab der Klägerin Recht, denn das Berufungsgericht hatte bei seiner Würdigung des unfall-chirurgisch-orthopädischen Gutachtens einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Dieses war bei seiner Bewertung dem Sachverständigen gefolgt ohne dabei zu beachten, dass die Beeinträchtigung der Klägerin in der Ausübung ihres zuletzt ausgeübten Berufs nicht allein anhand der zeitlichen Anteile der von ihr isoliert nicht mehr zu bewältigenden Tätigkeiten bemessen werden kann.

Für die Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit darf nicht nur auf den Zeitanteil einer einzelnen Tätigkeit abgestellt werden, die der Versicherungsnehmer nicht mehr ausüben kann (also hier das Tragen schwerer Lasten), wenn es sich hierbei nicht um eine abtrennbare Einzelverrichtung handelt, sondern diese untrennbarer Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs ist.

Ein wesentlicher Bestandteil der von der Klägerin konkret ausgeübten Berufstätigkeit, wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, war neben Reinigungsarbeiten und einigen weiteren untergeordneten Tätigkeiten wie zum Beispiel Blumenpflege der vollständige Betrieb der kanzleieigenen Kantine. Dazu gehörte nach dem von der Klägerin vorgelegten Anstellungsvertrag die vollständige und eigenständige Planung und Durchführung des Mittagessens (für zirka 15 bis 30 Personen) sowie die Durchführung des dafür notwendigen Einkaufs.

Dieser wöchentliche Einkauf ist als untrennbarer Bestandteil der von der Klägerin arbeitsvertraglich geschuldeten Versorgung der Mitarbeiter durch die von ihr selbständig zu führende Kantine anzusehen.

Soweit der Klägerin die notwendigen Einkäufe nicht mehr möglich gewesen seien, war ihr auch die weitere Führung der Kantine nicht mehr möglich. Sie hätte dann ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in diesem Bereich vollständig nicht mehr erfüllen können.

Auswirkungen für die Praxis

Werden Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung begehrt, so sollte im Rahmen dieses Leistungsverfahrens stets darauf geachtet werden, dass alle Tätigkeiten des Versicherten in der Gesamtheit bewertet und die Kerntätigkeiten herausgearbeitet werden. Hierzu sollte auch der Arbeitsvertrag mit einbezogen werden. Werden sodann medizinische Gutachten erstellt, so sollte ebenfalls geprüft werden, ob die Gutachter alle Tätigkeiten bewertet und ebenfalls in der Gesamtheit beurteilt haben. Sodann muss dieses Ergebnis in die Leistungsentscheidung des Versicherers einbezogen werden, worauf dieser seine Entscheidung treffen und stützen kann.

Dieses Urteil überrascht nicht, zeigt jedoch einmal mehr, dass Leistungsentscheidungen von Versicherungen nicht einfach hingenommen, sondern stets juristisch überprüft werden sollten. Andernfalls besteht für die Versicherten das Risiko, dass diese keine Leistungen von Versicherung erhalten, obwohl darauf Anspruch bestünde.

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