Blaudirekt-Chef über die Berliner Digitalerklärung "Pools geben mehr Bestandsübertragungen in Auftrag als alle Insurtechs zusammen"
Die Insurtechs schützen klassische Vermittler
Viele Insurtechs sind selbst Vermittler. Da gibt es wesensgleiche Interessen. Eines ist beispielsweise, den Kunden überhaupt beraten zu können. Egal ob Sie als Makler zum Kunden gehen oder ihn als Insurtech über eine App ansprechen, erst müssen Sie das Vertrauen gewinnen, indem sie eine überzeugende Beratungsleistung erbringen. Dann beauftragt sie der Kunde vielleicht. Das ist die natürliche Reihenfolge. Dass die Beratung vor Abschluss oder Beauftragung steht, ist sogar gesetzlich vorgeschrieben: §61VVG verpflichtet alle Vermittler zur vorherigen Beratung. Die Versicherungswirtschaft lässt das aber gar nicht zu.
Um den Kunden beraten zu können, muss der Vermittler schließlich wissen, was der Kunde bereits in Sachen Versicherungen geregelt hat. Das weiß der Kunde oft selbst nicht genau. Der Vermittler hat eigentlich nur die Möglichkeit dies beim Versicherer zu erfragen. Der wiederum gibt aber nur Auskunft, wenn der Vermittler sich mit einer Maklervollmacht als neuer Betreuer legitimiert.
Im Klartext: Um die gesetzlich geforderte Beratung zu erhalten, muss der Kunden die Beauftragung veranlassen, bevor er überhaupt weiß, ob er das will. Im Grunde genommen wird jeder Vermittler zum Rechtsbruch gezwungen. Das ist absurd!
Die Trennung von Datenbeauskunftung vom Vermittlerstatus würde das lösen. Der neue Vermittler – oder auch die App – kann sich zunächst auf eine Datenauskunftsvollmacht beschränken und damit beim Versicherer erfragen wie der Kunde überhaupt versichert ist. Auf dieser Basis wird dem Kunden eine Beratung angeboten. Verläuft diese zur Zufriedenheit des Kunden, kann dieser frei und ohne Zwang entscheiden, ob er den neuen Berater mit der Betreuung beauftragt.
So reagieren Versicherer auf den zusätzlichen IT-Aufwand
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Allerdings müssten Versicherer dann künftig differenzieren können und auch reine Auskunftsvollmachten bedienen. Das ist mit teurem IT-Aufwand verbunden. Einzelne Versicherer weisen zu Recht darauf hin, dass das Business-Model eines Versicherers nicht in der Beauskunftung von Daten liegt. Dafür bekommt er schließlich nichts bezahlt.
Die Mehrheit der Versicherer versteht jedoch, dass es letztlich um den eigenen Schutz geht. Man weiß das ebenso beim GDV wie auch bei den großen Versicherern wie Allianz oder Axa.
Denn der Gesetzgeber möchte, dass Kunden passende Produkte haben. Im Fondsbereich wurde die Verantwortung dafür den Kapitalanlagegesellschaften aufgebürdet. Sie müssen sich nun Risikoanalysebögen für jeden Kunden vorlegen lassen und diese prüfen. Das ist ein großes Haftungsrisiko und ein gigantisches Arbeitsfeld für die Fondsanbieter. Im Versicherungsbereich ist es der Lobby gelungen Haftung und Aufgabe weg vom Produktgeber hin zu Maklern und Vertrieben zu schieben. Fairerweise muss man sagen, dass Makler selbst darauf großen Wert legen, weil es ihre Unabhängigkeit untermauert.
Trotzdem haben die Versicherer das allergrößte Interesse am Staus Quo. Damit das so bleibt, muss der Vermittler aber in der Lage sein, die Beratungsleistung auch tatsächlich zu erbringen. Wenn die Vermittler langfristig darunter leiden, dass sie die notwendigen Informationen für die Beratung gar nicht oder nur nach einem monatelangen Husarenritt erhalten, müsste man die Politik auffordern §61VVG zu ändern. Wie kann der Vermittler sicherstellen, dass der Kunde richtig versichert ist, wenn der Versicherer die dafür nötigen Informationen nicht bereitstellen kann oder will?
Im Grunde sitzen Versicherer wie Vermittler zusammen auf einer großen Bombe und alle Marktteilnehmer eint das Interesse, dies zu lösen. Den Insurtechs ist das aufgrund Ihrer extremen Kundenfokussierung zuerst aufgefallen. Die Berliner Digitalerklärung ist dem Grunde nach ein Geschenk für unsere Branche.