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Brexit Artikel 50: Was erwartet die Investoren?

Europa-Ökonom Azad Zangana (l.) und Chefvolkswirt Keith Wade (r.) von Schroders
Europa-Ökonom Azad Zangana (l.) und Chefvolkswirt Keith Wade (r.) von Schroders

Seit das Vereinigte Königreich für einen EU-Austritt abgestimmt hat, zeigen die britische Binnenkonjunktur und die Aktienbörse eine deutlich schwächere Reaktion als zunächst erwartet. Das Britische Pfund allerdings hat gegenüber anderen Währungen an Wert verloren.

Über den Erwartungen liegende Konsumausgaben haben dazu beigetragen, die Wirtschaft zu stützen. Die Widerstandsfähigkeit des britischen Aktienmarkts kommt zum Teil vom Appetit der Investoren auf internationale Unternehmen, die Umsätze im Ausland, insbesondere in US-Dollar, erzielen.

Aber jetzt ist Artikel 50 ausgelöst – was erwartet die Investoren?

Azad Zangana, Europa-Ökonom bei Schroders, sagt dazu:

„Die Abwertung des Pfund wurde weitgehend erwartet, und wir sehen jetzt die preistreibenden Effekte der höheren Importpreise, da diese auf die Konsumentenpreise durchschlagen. Wir fragen uns, wie die Haushalte mit dieser höheren Inflation* umgehen werden. Die real verfügbaren Einkommen wuchsen zu Beginn des vergangenen Jahres um knapp 5 %, aber zum Jahresende, als die Inflation anstieg, war dieser Zuwachs auf null zurückgefallen.

Die Inflation ist weiter gestiegen und liegt derzeit bei 2,3 %. Wir schätzen, dass sie zur Mitte des Jahres bis auf 3,5 % anziehen wird. Damit wird das verfügbare Einkommen in den kommenden Quartalen weiter schrumpfen, was die Privathaushalte dazu veranlassen dürfte, ihre Ausgaben zu senken oder weniger zu sparen. Und tatsächlich sparen die Privathaushalte seit einiger Zeit weniger, und die Sparquote ist so niedrig wie in der Finanzkrise. Die Haushalte haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, noch weniger zu sparen, um ihren Konsum zu stützen. Deshalb erwarten wir eine Verlangsamung des Konsumanstiegs und damit des Wirtschaftswachstums in diesem Jahr.

Wir erwarten, dass die offiziellen Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Kommission im Mai dieses Jahres beginnen. Michel Barnier, Verhandlungsführer der Europäischen Kommission, sagt, diese sollten bis Oktober 2018 abgeschlossen werden. Der erste Bereich, der diskutiert wird, ist die „Ausstiegsrechnung“, also die Kosten des Austritts auf Grundlage der bestehenden Verbindlichkeiten des Vereinigten Königreichs. In dieser Frage steckt das Potenzial, die Verhandlungen über andere Aspekte zu verzögern. Darin liegt für beide Seiten das Risiko, Zeit zu verlieren – nicht nur um die Verhandlungen vollständig abschließen, sondern auch um zu einem fairen Abschluss sowie zu einer Vereinbarung für das Vereinigte Königreich gelangen.

Über das unmittelbare Scheidungsverfahren hinaus muss es ein umfassendes Rahmenwerk für die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU geben. Dies dürfte zwar einen Rahmen für den Handel umfassen, ein Handelsabkommen aber nicht. Eher ist eine Übergangsvereinbarung zwischen beiden Seiten wahrscheinlich, die vier oder fünf Jahre anhalten könnte. Im Gegensatz zum Status quo dürfte dies ein Schritt weg vom vollständigen und freien Marktzugang für Großbritannien sein, hin zu einem Status mit mehr Beschränkungen. Vielleicht verzichtet das Vereinigte Königreich auf den Agrarhandel zugunsten der Pharma- und der Finanzindustrie. Es scheint auf britischer Seite eine Präferenz dafür zu bestehen, Sektor für Sektor zu verhandeln. Die EU wird sich dem vermutlich widersetzen und es ist unklar, wie die Verhandlungen ablaufen werden.

Wenn keine Einigung erzielt wird und den Verhandlungspartnern die Zeit davonläuft, könnten wir uns in der Situation eines harten Brexit wiederfinden. Dies wäre der einseitige Rückzug Großbritanniens aus der EU, ohne jegliche Vereinbarung über den Handel oder einen anderen Aspekt der wechselseitigen Beziehung. Ein solches Ergebnis wird von so ziemlich allen Seiten als äußerst negativ angesehen, mit Ausnahme einiger Hardliner innerhalb der britischen Regierung. Auch wir glauben, ein solcher Ausgang könnte potenziell sehr schädlich sein.

Ein Umstieg auf die Regeln der Welthandelsorganisation WTO würde viel höhere Zölle bedeuten als es sonst bei Waren der Fall wäre. Dienstleistungen wären auf dieser Basis überhaupt nicht abgedeckt, so dass die Probleme beim Export von Dienstleistungen deutlich größer werden würden. Zudem wäre ein solcher Ausgang sehr schlecht für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien insgesamt, sei es bei der Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit oder auf anderen Gebieten.“

Keith Wade, Chefvolkswirt bei Schroders, sagt:

„Die Risiken für den britischen Markt betreffend sehen wir bereits eine beginnende Verlangsamung des inländischen Wirtschaftswachstums. Dies könnte bei Anlegern eine wachsende Skepsis gegenüber Nebenwerten auslösen. Sollten sich die Brexit-Verhandlungen schwierig gestalten, könnte dies zu Schwächephasen beim britischen Pfund führen, was exportierende Unternehmen unterstützen dürfte. Das größere Problem jedoch liegt in einem möglichen Vertrauensverlust in das Vereinigte Königreich und das britische Pfund, etwa im Fall von Konflikten auf politischer Ebene. Falls eine anhaltende Schwäche des Pfunds auch auf das Lohn- und Gehaltsniveau sowie die Preiserwartungen durchschlagen sollte, würde die Bank of England ihre Geldpolitik straffen müssen. Dies würde unserer Überzeugung nach zu einer schwierigen Situation für den britischen Markt führen, von der ganz besonders Anleihen betroffen wären.“

* Messgröße für den Anstieg der Preise von Waren und Dienstleistungen im Zeitverlauf

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