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Brexit „Besser rational als sentimental reagieren“

Salman Ahmed, Chefstratege, und Jan Straatman, Investmentchef bei Lombard Odier Investment Managers
Salman Ahmed, Chefstratege, und Jan Straatman, Investmentchef bei Lombard Odier Investment Managers
Nachdem die Märkte in den Tagen vor dem Referendum zunehmend ein ‚Nein’ zum Brexit eingepreist hatten, brachen die globalen Aktienmärkte ähnlich wie in den dunklen Tagen in 2008, in manchen Fällen auch schlimmer, ein.

Mit einem Verlust von fast 10 Prozent gegenüber dem Dollar seit Handelsschluss am Donnerstag, befand sich das britische Pfund im Zentrum des Sturms. Wenig überraschend liefen traditionell sichere Häfen wie Staatsanleihen aus den entwickelten Volkswirtschaften, der japanische Yen und Gold, angesichts der Flucht der Investoren in Sicherheit, sehr gut.

Soweit es die Politik betrifft, haben die Herausforderungen für Großbritannien und die Europäische Union gerade erst begonnen. David Cameron gab seinen Rücktritt bekannt, aber wir erwarten, dass die kommenden Wochen und die anstehende Wahl zum Vorsitz der Conservatives für die Märkte und die britische Währung turbulent werden.

Spekulation über Dominoeffekt in vollem Gang

Langfristig ist nach der Bexit-Entscheidung unser neues Basisszenario letztlich ein Deal mit UK, ähnlich wie im Fall Norwegens. Bevor es aber tatsächlich dazu kommt, stehen einige bedeutende und unklare Hindernisse auf dem Weg dorthin.

Zuallererst dürfte von Schottland, das massiv für ein Verbleiben in der EU gestimmt hat, starker Druck ausgeübt werden, ein weiteres Referendum, bezüglich der Position des Landes in Großbritannien, auszurufen. Das bringt eine weitere Reihe an Unsicherheiten mit sich, für die EU und für UK insbesondere. Die Unsicherheit über die künftige Form eines Deals mit Großbritannien würde wohl gleichzeitig von dem gut möglichen Zerfall der EU und Großbritanniens begleitet werden.

Ein Ansteckungseffekt für Europa ist ebenfalls möglich, da die Spekulation über einen Dominoeffekt zunimmt und die Märkte sich die Frage stellen, welche anderen Länder ebenfalls die Option wählen könnten, die EU zu verlassen. Angesichts der anstehenden Wahl in Spanien müssen wir uns fragen, ob der Brexit nicht einen weiteren Impuls für die politisch rechten Kräfte in Europa bedeutet.

Können Zentralbanken die Märkte beruhigen?

Kehren wir zu den Märkten zurück. Hier erwarten wir, dass der Volatilitätsschock kurzfristig anhalten wird, da die Stimmung der allgemeinen Unsicherheit die Fundamentaldaten verdrängen. Wir erwarten, dass die wichtigsten Zentralbanken mit kompletter geldpolitischer Lockerung einschreiten oder – zumindest - Liquidität zur Verfügung stellen. Für die EZB ist die Verlängerung des laufenden Lockerungsprogramms ohnehin gegeben und die USA wird dagegen ebenfalls nicht immun sein.

Die mögliche Beeinträchtigung der US-Wirtschaft wird die Gewissheit über eine Zinserhöhung im Juli und sogar für den Rest des Jahres 2016 in Frage stellen. Wenn wir 2008 als Vorlage nehmen, erwarten wir den Einsatz von Swap-Linien, um den Druck aus der Finanzierung über Währungen hinweg herauszunehmen, da so Liquidität angeboten wird, um jede Möglichkeit eines Bank Runs zu verhindern.

In einer schwierigen Situation hingegen ist die Bank of England. Die heftigen Makro-Ungleichgewichte, mit denen die britische Wirtschaft konfrontiert ist, - das Zwillingsdefizit – werden sich in Form nachhaltigen Drucks auf das Pfund fortsetzen. Um die Währung und das Land vor einer Zahlungsbilanzkrise zu schützen, denken wir in der Tat, dass ein nachhaltiges Lockerungsprogramm wohl kaum die richtige geldpolitische Antwort ist. Eine Rezession ist eine nahe Gewissheit und wir erwarten, dass die Inflation auf Grund einer schwächeren Währung stark anziehen wird.

Allgemeiner gesprochen ist die entscheidende Frage, soweit es die Märkte betrifft, ob irgendeine Maßnahme der Zentralbank ausreichend wäre, um die Märkte zu beruhigen. Hier wird viel von den politischen Entwicklungen abhängen sowie dem Ausmaß und dem Umfang jeder Maßnahme. Das heißt, dass es extrem schwierig ist, derzeit präzise Vorhersagen zu treffen.

Nachfrage nach sicheren Häfen steigt

Die Entscheidung für den Brexit stärkt das Fundament unseres Basisszenarios einer Japanisierung Europas, da wir weiterhin schwaches globales Wachstum, weit verbreitete Disinflation und niedrigere Zinsen erwarten.

Die Erwartungen von Notenbank-Maßnahmen und die gestiegene Nachfrage nach sicheren Häfen haben bereits die Renditen von Staatsanleihen aus den entwickelten Volkswirtschaften auf breiter Front nach unten gedrückt. Das ist das Spiegelbild der wachstumsschwachen Welt, die wir derzeit sehen.