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Das Mikado-Spiel der Europäischen Zentralbank

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, den Mund vielleicht doch zu voll genommen? In London sagte er, dass die EZB alles tun werde, um den Euro zu halten. Um dieser Aussage noch mehr Gewicht zu geben, fügte er als persönliches Bekenntnis hinzu: „Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“ Wer wollte das dem sympathischen Chef der zweitgrößten Notenbank der Welt nicht glauben?

Seitdem wird an den Märkten gerätselt, welche Maßnahmen in Betracht kommen könnten und wie sie wirken. Dabei gibt es eine viel grundsätzlichere Frage, die man vorher stellen muss: Kann eine Zentralbank überhaupt eine Währung retten?

Ihr primäres Mandat ist die Sicherung der Preisstabilität. Daneben muss sie für die Stabilität des Finanzsystems sorgen. Die Rettung der Währung gehört – meines Erachtens zu Recht – nicht zum Mandat. Dazu hat sie auch keine Instrumente. Das ist eine ursächlich politische Entscheidung.

Theoretisch gibt es zwei Wege, um eine Währung wieder auf eine sichere Basis zu stellen:

  • Den monetären Ansatz: Das sind zuallererst Interventionen auf den Kapitalmärkten. Konkret: Die EZB und/oder der Rettungsschirm EFSF beziehungsweise ESM sollen vor allem spanische und italienische Anleihen kaufen. Eventuell müssen darüber hinaus die Leitzinsen gesenkt und die Marktliquidität noch einmal erhöht werden. Damit sollen wieder normale Verhältnisse auf den Finanzmärkten hergestellt werden. Offiziell heißt es, dass damit der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik wiederhergestellt werden soll. Aber das ist nur das Feigenblatt. Gemeint ist die Rettung des Euro.

  • Den strukturellen Ansatz: Danach sollen die Schuldnerländer selbst alles tun, um ihre Haushalte und ihre Wirtschaft wieder in Ordnung zu bringen. Dazu kommen muss eine Verlagerung der finanz- und wirtschaftspolitischen Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten auf die Gemeinschaft. Gut wäre auch die Reaktivierung der Non-Bail-Out-Klausel (nach der direkte Hilfen für ein Land verboten sind), um die innergemeinschaftlichen Transfers zu begrenzen. Auf diese Weise soll das Grundübel der Währungsunion, die Diskrepanz zwischen einer an Europa orientierten Geldpolitik und einer auf nationale Interessen gerichteten Fiskalpolitik, beseitigt werden.  
Jeder weiß, dass der strukturelle Ansatz der richtige ist. Alle funktionierenden Währungsunionen der Vergangenheit waren politische Unionen. Alle Währungsunionen, die nicht durch eine politische Einheit abgesichert waren, sind letztlich gescheitert. Wenn politische Unionen auseinanderbrechen, werden meist gleichzeitig auch die Währungen getrennt.

Jeder weiß aber auch, dass der strukturelle Ansatz derzeit nicht oder nur sehr schwer zu realisieren ist. In Berlin ist kaum jemand bereit, Souveränität an eine Gemeinschaftsinstitution abzugeben. Es müsste das Grundgesetz geändert werden. Vermutlich bräuchte man zudem einen Volksentscheid. Auch in Paris ist kaum jemand bereit, die "Grande Nation" zugunsten einer europäischen Regierung zu opfern.

Kann hier der monetäre Ansatz in die Bresche springen? Er hat den großen Vorteil, dass er politisch einfach und schnell zu realisieren ist. Er beruhigt die Märkte und nimmt den Euro aus der Schusslinie.

Wenn man eine solche Politik glaubhaft lange Zeit durchhält und die Märkte von der Entschlossenheit überzeugt, kann es sein, dass die Spekulation sich auf längere Zeit geschlagen gibt. Die Schweiz hatte dies Ende der 70er Jahre schon einmal mit Erfolg zur Stabilisierung des Wechselkurses praktiziert. Sie versucht es gerade wieder.

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