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„Das Rating-System war einfach zu gemütlich“

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Von Athen nach Rom


Dieser Reigen wird nun rückabgewickelt. Von Athen nach Rom. Rückkoppelungseffekte funktionieren ja leider auch in die andere Richtung. Das Rating verschlechtert sich, die Staaten kommen schwieriger an Geld, müssen mehr für ihre Schulden zahlen und stehen prompt finanziell schlechter da und das Rating wird erneut herabgestuft. Als die Spirale sich nach oben drehte, waren alle zufrieden, aber nun ist jeder auf seine Weise unglücklich.

Den Mechanismus von selbstreferenziellen Systemen, wie solche Mechanismen auch genannt werden, zu durchbrechen bevor sie am Nullpunkt angekommen sind, ist ausgesprochen schwer. Die erste Idee ist eigentlich immer, das Problem durch eine Veränderung der Spielregeln aus der Welt zu schaffen. Erst wenn sich herausstellt, dass das nicht weiterhilft, wird das System auf ein neues, tragfähiges Fundament gestellt.

In der aktuellen Schuldenkrise sind wir noch im Stadium des Herumtüftelns an den Spielregeln. In einer Zeit, in der ihnen die Ratings nicht mehr gefallen, schlagen die Regierungen vor, eine hauseigene Rating-Agentur der Europäer zu etablieren, die Gefälligkeitsgutachten zu angeschlagenen Haushalten gibt. Da sage noch einer, die Europäer seien nicht zu Finanzinnovationen in der Lage!

Oder es gab den Vorschlag, die amerikanischen Rating-Agenturen zu zerschlagen. Auch das wäre eine wirklich vertrauensbildende Maßnahme, ein echter Beitrag zur Lösung des Problems, dass viele europäische Länder jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben und nun mit dem Schuldenabbau ernst machen müssen.

Eine Welt, in der Stabilität herrscht, kommt in der Tat ohne Rating-Agenturen aus. Aber genau genommen sind sie nicht sehr wichtig, sie haben es uns nur gemütlich gemacht. Rating-Agenturen folgen meist sowieso nur den Kursen der Anleihen, die sie beurteilen. Fallen die Kurse (und steigen die Zinsen), so gibt es irgendwann ein „Downgrade“ der jeweiligen Bonität. Steigen die Kurse (und fallen die Zinsen) so stellt der Analyst meist bald fest, dass sich die Lage sehr gebessert hat und es gibt ein „Upgrade“. Fondsmanager müssten sich selber Gedanken machen und hätten keinen externen Schuldigen mehr, wenn es schief geht.

Regierungen müssten nicht nur auf das Rating achten, sondern tatsächlich solide haushalten. Der Geldfluss, den ein gutes Rating gewährleistet, wäre nicht mehr gesichert. Kurz: es wäre alles etwas unbequemer, aber keineswegs das Ende.

In der Welt, die ohne das selbstreferenzielle System der Rating-Agenturen als Basis der Staatsfinanzen auskommt, in der nicht nur an den Symptomen gearbeitet wird und in der schließlich auch Europas Staatsfinanzen wieder für eine Weile auf ehrlichen Füßen steht, wird es einige überraschende Axiome geben, beispielsweise: es ist möglich, dass Staaten pleite machen. Staaten können sich bei den Ausgaben übernehmen und bei den Einnahmen überschätzen. Wer hätte das gedacht?

Das erstaunlichste Axiom der Nach-Schuldenkrisen-Welt wird aber lauten: Auch Gläubiger von Staaten können Verluste machen. Der Weg dorthin wird wohl über einen Schuldenschnitt in Griechenland führen, der in einer Größenordnung von 75 Prozent liegen wird. Das wird teuer für die französischen und deutschen Banken, aber alles andere wäre unglaubwürdig.

Für Irland und Portugal sind wahrscheinlich ähnliche Maßnahmen nötig. Jetzt, da die Rating-Agenturen nachplappern, was im Markt schon lange bekannt ist, dass die Kredite dieser Länder unsicher sind. Jedenfalls werden die Schulden auf ein Niveau zurückgeführt werden müssen, das tragbar ist und das diese Länder durch Wachstum schon lange nicht mehr erreichen können.

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