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Aktualisiert am 27.01.2020 - 15:49 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten

„Der Aktienmarkt bildet den Boden“

Thorsten Hens
Thorsten Hens

DAS INVESTMENT.com: Es sieht heute nach einem guten Aktientag aus. Thorsten Hens: Wie stehen wir denn? DAS INVESTMENT.com: Plus 1,6 Prozent beim Dax. Hens: Wunderbar, die Bodenbildung kommt voran. DAS INVESTMENT.com: Alle Welt predigt den Untergang des Aktienmarktes, und Sie sprechen von einer Bodenbildung? Hens: Ja, Dienstag hatten wir einen sehr guten Tag, und auch Mittwoch lief es überraschend gut, Donnerstag dann eine kleine Gegenbewegung. Der Dax bildet einen Boden. DAS INVESTMENT.com: Sie klingen dabei sehr entspannt. Macht Ihnen die Lage gar keine Angst? Hens: Nein. Wir haben zwei Bewertungskriterien: Das fundamentale Umfeld und die Stimmung der Anleger, also das Sentiment. Das fundamentale Umfeld ist inzwischen sehr gut. Die Aktienkurse sind viel stärker eingebrochen, als es sämtliche Bewertungskennzahlen nahelegen. DAS INVESTMENT.com: Viele Experten sagen, dass die Kennzahlen nur scheinbar gut aussehen. Sie sollen bald wegen der sinkenden Gewinne und Umsätze und der ausfallenden Dividenden mieser werden. Hens: Diese Prognosen berücksichtigen wir bereits und kommen trotzdem auf günstige Bewertungen. Ich bleibe dabei: Die Prognosen über den Untergang der Wirtschaft und die Aktienkurse sind eine irrationale Übertreibung nach unten. DAS INVESTMENT.com: Wir können also getrost Aktien kaufen? Hens: Noch nicht. Das Sentiment ist noch sehr negativ. Das heißt, die meisten Anleger haben Angst und scheuen das Risiko. Das widerspricht dem fundamentalen Bild, weshalb ich noch keine aktiven Wetten eingehen würde. DAS INVESTMENT.com: Woran erkenne ich denn, dass sich das Sentiment verbessert? Hens: Signale geben weiche Indikatoren wie die Ifo-Umfragen und Verbraucherindizes und die gleitenden Durchschnitte von Aktienindizes. Damit letztere nach oben drehen, reichen Aufwärtsbewegungen von ein paar Wochen. Aber wie gesagt: Zurzeit ist noch alles durchweg negativ. DAS INVESTMENT.com: Haben Sie aus dem Aktien-Crash neue Erkenntnisse gewonnen? Hens: Ich war überrascht, dass die Spekulationsblasen offenbar immer schneller hintereinander auftreten. Was wir im vergangenen Jahr erlebt haben, war ja quasi der New-Economy-Crash im Zeitraffer. Und es liegen gerade mal fünf Jahre dazwischen. DAS INVESTMENT.com: Liegt das vielleicht an der enormen Geldschwemme der Zentralbanken? Hens: Das glaube ich nicht. Es könnte vielmehr an den Medien und den technischen Möglichkeiten liegen. Alles geht viel schneller und ist stärker vernetzt. Eine dumme Idee kann man heute viel schneller ausführen. Es ist wie beim Fußball. In den 70ern gab es Günter Netzer im Mittelfeld, und um ihn herum baute sich langsam das Spiel auf. Heute ist Fußball viel schneller und dynamischer als damals. Dazu haben wir eine interessante Studie durchgeführt. DAS INVESTMENT.com: Ich bin gespannt. Hens: Wir haben zwei Studentengruppen getestet. Die eine durfte nur zwischen 9 und 17 Uhr Investmententscheidungen umsetzen. Sie hatte keinen Schlüssel und musste sich von uns die Büros aufschließen lassen. Die andere Gruppe war immer online und konnte rund um die Uhr handeln. Ich glaube, es ist klar, wer gewonnen hat. DAS INVESTMENT.com: Die gehemmte Gruppe? Hens: Richtig. Die anderen haben sehr häufig gehandelt und am Ende schlechter abgeschnitten. DAS INVESTMENT.com: Und wie oft schauen Sie persönlich sich den Markt an? Hens: Ich schaue abends die „Tagesschau“ und sehe da meistens die Börsenzusammenfassung mit Anja Kohl. Das muss reichen. Zurzeit warte ich wie gesagt auf den Turnaround des Aktienmarkts. DAS INVESTMENT.com: Andere stürzen sich lieber auf Gold. Was halten Sie davon? Hens: Ich schimpfe ab und zu mit meiner Frau, weil sie auch Gold kauft. Nachvollziehen kann ich diese Goldkäufe nicht, denn für alles, was Gold leisten soll, gibt es einen guten Ersatz. So schützen beispielsweise Inflationsanleihen viel besser vor Geldentwertung als Gold. Aber die Menschen kennen es und rennen ihm hinterher. Der Goldmarkt zeigt inzwischen auch eine dieser irrationalen Übertreibungen. DAS INVESTMENT.com: Sie haben also selbst kein Gold im Portfolio? Hens: Ich habe ein Rohstoffprodukt, das aus Agrarrohstoffen, Metallen und Energie zu gleichen Teilen besteht. Es wird regelmäßig automatisch rebalanciert. Bei Rohstoffen ist die so genannte Mean Reversion sehr stark ausgeprägt. Die Preise schwanken also sehr stark um einen Mittelwert, was sich durch Rebalancieren gut nutzen lässt. DAS INVESTMENT.com: Haben Sie abschließend noch einen Tipp für unsere Leser? Hens: Jeder soll überprüfen, ob er im vergangenen Jahr Fehler gemacht, oder einfach nur Pech gehabt hat. Bei Fehlern wie Leichtgläubigkeit oder Überschätzung sollten Anleger Lehren daraus ziehen und ihr Verhalten ändern. DAS INVESTMENT.com: Und bei Pech? Hens: ...müssen Anleger ihre Strategie nicht verändern, denn das Portfolio war an sich ja nicht verkehrt. Für solche Selbstanalysen sollte man sich aber immer noch eine zweite Meinung von Außen holen. Hintergrund: Mit der dänischen Fondsgesellschaft Sparinvest entwickelte Thorsten Hens ein Online-Instrument, über das Anleger oder Finanzberater ihre eigene Risikoeinstellung ermitteln können (DAS INVESTMENT.com berichtete). Unter http://www.riskprofiler.sparinvest.eu steht es kostenlos zur Verfügung. Benutzer müssen sich aber vorher registrieren. Die wissenschaftlichere Variante in Dollar und ohne empfohlene Produkte gibt es unter www.bhfs.ch. Mit dem Nutzernamen „investdemo“ und dem Passwort „inv123-“ ist ein Demo-Zugang zum Standard Risk Profiler freigeschaltet. DAS-INVESTMENT-Buchtipp:

Behavioural Finance for Private Banking

von Thorsten Hens und Kremena Bachmann ISBN: 978-0-470-77999-6 Link zum Verlag

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