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„Der Balkan ist in 20 Jahren auf West-Niveau“

Das internationale Börsenbeben seit Jahresbeginn war auch am Balkan zu spüren, dort sogar besonders stark: Im vergangenen halben Jahr fielen die Aktienindizes Crobex (Kroatien), Bet (Rumänien) und Sofix (Bulgarien) um rund 40 Prozent. Damit endete eine etwa dreijährige Balkan-Rallye. Wie es jetzt an den Börsen Südosteuropas weiter geht, fragte DAS INVESTMENT.com Jaako Salmelin, Co-Manager des Trans Balkan Fonds (WKN: A0LBUS) der dänischen Gesellschaft Danske Fund.

DAS INVESTMENT.com: Warum sind die Balkan-Börsen in diesem Jahr so heftig abgestürzt?

Jaako Salmelin: Das liegt vor allem an der gestiegenen Risikoscheu internationaler Anleger. Als diese ihre Aktien verkauften, rauschte der gesamte Markt nach unten. Denn die lokalen Märkte sind sehr klein und illiquide. Das erklärt auch, warum sie in der Vergangenheit so stark gestiegen sind: Seit etwa drei Jahren melden die osteuropäischen Unternehmen sehr gute Ergebnisse. Daraufhin floss immer mehr ausländisches Geld in die Region.

DAS INVESTMENT.com: Gibt es denn keine lokalen Investoren?

Salmelin: Doch, aber zu wenige. Großinvestoren wie zum Beispiel Pensionsfonds nach westlichem Vorbild existieren in Osteuropa kaum. Zwar gibt es seit einem halben Jahr solche Einrichtungen in Bulgarien, die auch sehr schnell wachsen. Doch sie entwickeln sich gerade erst. In Polen, Tschechien und Ungarn sind Pensionsfonds bereits eine wichtige Größe am heimischen Kapitalmarkt.

DAS INVESTMENT.com: Würden Sie Anlegern jetzt Investitionen in den osteuropäischen Aktienmarkt empfehlen?

Salmelin: Ich kann sagen, dass vor allem bulgarische und rumänische Aktien derzeit vergleichsweise günstig bewertet sind. Doch ich gebe keine Tipps zum Market Timing. Die kurzfristige Entwicklung der Aktienmärkte Osteuropas ist stark von den westlichen Börsen abhängig, die sich wiederum nicht vom kriselnden US-Markt abkoppeln können. Anders sieht es bei den Volkswirtschaften Südosteuropas aus: Ihr wichtigster Handelspartner sind schließlich die EU-Länder.

DAS INVESTMENT.com: Welche Bedeutung wird Europa langfristig für die Region haben?

Salmelin: Die Subventionszahlungen der EU spielen natürlich eine Rolle bei der ökonomischen Entwicklung auf dem Balkan. Als Bedingung dafür macht die EU den Ländern teilweise Auflagen, zum Beispiel für die Korruptionsbekämpfung. Das tut der Wirtschaft gut.

DAS INVESTMENT.com: Und wie wichtig ist die geografische Nähe?

Salmelin: Auch das ist ein zentraler Faktor. Rumänien ist keine 500 Kilometer von Österreich entfernt. Das Wohlstandsgefälle ist aber immens. Die Balkanregion wird innerhalb der nächsten 20 Jahre zum Westen aufschließen. Ich erwarte, dass immer mehr Unternehmen aus dem europäischen Westen ihre Produktion auf den Balkan verlagern. Die geringe Entfernung macht das vergleichsweise kostengünstig möglich.

DAS INVESTMENT.com: Aber kann Osteuropa als Produktionsstandort gegenüber der noch billigeren Konkurrenz bestehen?

Salmelin: Ich denke ja. In Osteuropa sind die Arbeitskräfte in der Regel besser ausgebildet: Es gibt dort zum Beispiel eine große Zahl Ingenieure und Mathematiker. Sie können auch hochwertige Hightech-Güter herstellen. Das beste Beispiel dafür ist das neue Nokia-Werk in Rumänien. In China können zwar Massengüter wie zum Beispiel T-Shirts billig genäht werden. Doch die kulturellen Unterschiede zu Europa sind größer. Das macht das Geschäftsleben dort schwieriger.

DAS INVESTMENT.com: Gilt dieser Standortvorteil auch für die Türkei?

Salmelin: Für den europäischen Teil ja. Bei der Türkei muss man aber zwischen den einzelnen Regionen unterscheiden. Der östliche Teil des Landes orientiert sich nach Arabien. Doch das kann auch ein Vorteil sein. Denn die Region kann als Kettenglied zwischen Europa und dem Nahen Osten dienen. Im Südosten des Landes hat die Türekei eine lange gemeinsame Grenze mit dem Irak. Das ist heute ein Risiko, in Zukunft aber vielleicht eine Riesenchance.

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