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Der Euro ist das Herz der Finsternis

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In Österreich nennt man dieses Vorgehen, möglichst viele Lasten den Nachbarn aufzubürden, Floriani-Prinzip und führt es exemplarisch im Zusammenspiel mit den ehemaligen Kronländern vor. Die Ungarn genehmigen allen, die einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken aufgenommen haben das Privileg, die Kredite zu einem außerordentlich günstigen Phantasiewechselkurs zurückzuzahlen. Das kostet Ungarns Banken fast nichts, die drei großen österreichischen aber jeweils bis zu einer Milliarde Euro. Daraufhin schreibt die österreichische Bankenaufsicht vor, Kredite nach Osteuropa nur noch aus Geld zu finanzieren, das dort auch als Einlage eingesammelt wurde - sodass im Fall einer Pleite nur örtliche Gelder und nicht auch österreichische betroffen wären. Das bedeutet, dass die für Osteuropa wichtigsten Banken dort praktisch kein Geschäft mehr machen können und die Wirtschaft ihre Kapitalarmut nun grausam zu spüren bekommen wird. Da Österreichs Banken nun aber auch zu Hause kaum noch Geld bekommen, hat die Raiffeisenbank versucht, aus Russland Einlagen nach Wien zu transferieren. Das allerdings wollen die Russen nicht, auch sie behalten ihr Geld lieber daheim und die Aufsicht hat den Transfer verboten.

Jede Aufsicht missgönnt der anderen das Geld ihrer Sparer, und jeder sind die Probleme der anderen herzlich egal, solange das eigene Haus nicht brennt. In einer solchen Situation kann es zum Worst Case kommen, über den wir uns normalerweise als eingefleischte Optimisten nicht den Kopf zerbrechen. Es könnte jemand in Griechenland oder sonstwo beschliessen, die Zone zu verlassen.
 
Um den dann fälligen massenhaften Transfer von Geld aus Griechenland nach Deutschland zu vermeiden (wer tauscht schon gerne seine Euros in Drachmen ein?), müsste Griechenland, das das Geld dringend im Land braucht, die heimischen Konten im Vorfeld einfrieren. Spätestens dann werden sich Italiens und alle anderen Sparer denken, dass es nicht nötig ist zu warten, bis die eigenen Ersparnisse dasselbe Schicksal erleiden. Dann kommt es zu einer europaweiten Geldschwemme nach Deutschland, gegen die es keine rechtliche Handhabe gibt, die zu kontrollieren die Technik fehlt und die so schnell gehen würde (Transfers dauern heute nur noch Sekunden), dass das ganze System implodieren würde.

Die praktischen Konsequenzen wären etwa dieselben wie bei der Aufspaltung der Donaumonarchie nach dem ersten Weltkrieg. Die Krone wurde damals physisch zunächst von den Nachfolgestaaten beibehalten, und jedes Land stempelte fürs Erste nur seinen Namen auf die zirkulierenden Banknoten. Die ungestempelten Noten waren mehr wert als die gestempelten, da die neuen Währungen mit begründetem Misstrauen beäugt wurden. So versuchte jeder, der noch alte Kronen hatte, diese vor den Behörden zu verbergen und am besten ins Ausland zu schmuggeln, wo die Krone noch offizielle Währung war. Ungarn hatte das Pech, als letztes Land im Jahr 1920 eine neue Währung einzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war der größte Teil des k. u. k. Geldes dorthin geflossen und hatte eine gewaltige Inflation ausgelöst, die auch nach der Währungsreform anhielt und im Jahr 1927 zu einem Währungsschnitt von 12.500 zu eins führte. Wir sind heute in einer Situation, in der entscheidend ist, was die Politik macht. Ob Aktien oder Anleihen steigen oder fallen hängt vom Vertrauen in die Politik ab

Ob Aktien oder Anleihen steigen oder fallen hat wenig damit zu tun, ob die Unternehmenszahlen gut oder schlecht sind, sondern ob das Vertrauen in die Politik da ist oder nicht. Die Korrelationen zwischen den einzelnen Papieren sind extrem hoch, und Stock-Picking ist zu einer sinnlosen Übung geworden. Entsprechend sollte man sich, anders als sonst üblich, zunächst über den Gang der Politik Gedanken machen, weil von nichts anderem abhängt, welche Asset-Klassen steigen oder fallen. Aber selbst wenn man die Politik richtig zu lesen in der Lage ist, heißt dies noch lange nicht, dass daraus klar folgen würde, wie die Investmentpolitik aussehen sollte. Der Markt wird neben den politischen auch stark von technischen Faktoren bewegt, die mit den Fundamentaldaten der Wirtschaft ebenso wenig zu tun haben wie die Politik.
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