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Aktualisiert am 28.01.2020 - 12:19 Uhrin MärkteLesedauer: 2 Minuten

„Der Weg zurück zur Normalität ist ein schleichender Prozess“

Thomas Körfgen, SEB
Thomas Körfgen, SEB

DAS INVESTMENT.com: Wo waren Sie, als die Investmentbank Lehman Brothers pleite ging? Thomas Körfgen: Im Wohnzimmer. Es war an einem Sonntagabend. Ich war zu Hause und habe mir die Ereignisse auf Bloomberg angeschaut. DAS INVESTMENT.com: Hätte man die Lehman-Pleite voraussehen können? Körfgen: Nein. Ich hatte den ganzen Sonntag lang noch gedacht, dass es nicht sein kann. Ich ging davon aus, dass die Regierung die Bank nicht hängen lässt und es doch zu einer Lösung kommt. DAS INVESTMENT.com: Und was meinen Sie, warum die US-Regierung – entgegen dem bisherigen Grundsatz „too big to fail“ – die Insolvenz von Lehman Brothers zuließ? Körfgen: Nachdem die amerikanische Regierung bereits drei große Banken – Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac – mit Milliarden Dollar gestützt hatte, war der Druck groß, nicht jeder Bank bei selbstverschuldeten Problemen mit dem Geld der Steuerzahler unter die Arme zu greifen. Andererseits gehen viele Beobachter davon aus, dass die Abneigung zwischen Lehman-Chef Fuld und dem damaligen Finanzminister Paulson eine Rolle gespielt hat. Ich denke, der wahre Grund liegt irgendwo dazwischen. Ich schließe nicht aus, dass es die eine oder andere Diskrepanz zwischen Fuld und Paulson gab. Zudem zeigte Lehman bei Verhandlungen ziemlich wenig Entgegenkommen. DAS INVESTMENT.com: Welche Lehren hat der Markt aus der Lehman-Pleite gezogen? Körfgen: Die Vorsicht. In schlechten Marktphasen kommt es schlimmer als erwartet. Daher soll man nur in Finanzinstrumente investieren, die man versteht. DAS INVESTMENT.com: Und welche Lehren haben Sie für sich persönlich daraus gezogen? Körfgen: Wenn eine Abwärtsbewegung im Gange ist, können die Effekte länger andauern, als man glaubt. Man darf in solchen Phasen nicht zu schnell wieder optimistisch werden. DAS INVESTMENT.com: Wie lautet Ihre Bilanz ein Jahr nach dem Lehman-Zusammenbruch? Körfgen: Der Markt ist übervorsichtig geworden. Nachdem vor der Krise Produkte entwickelt und vertrieben wurden, die weder die Anleger noch viele der Bankmitarbeiter selbst verstanden hatten, fallen die Banken nun ins andere Extrem. Jetzt wollen sie alle Risiken erfassen und berechnen können – vielleicht zu stark. DAS INVESTMENT.com: Und wie geht es weiter mit den Finanzmärkten? Körfgen: Der Weg zurück zur Normalität ist ein schleichender Prozess. Die Banken vergeben jetzt weniger restriktiv Kredite als noch vor wenigen Monaten. Es sind zwar immer noch nicht genug, doch wir bewegen uns bereits langsam in die richtige Richtung.

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