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Deutsche Staatsquote: „Wirtschaftspolitik muss man in langen Zeiträumen denken“

Martin Hüfner
Martin Hüfner
Vor kurzem stieß ich in einer Diplomarbeit von zwei Schweizer Studenten auf Zahlen, die mich aufhorchen ließen. Danach gehört Deutschland heute nicht mehr zu den Staaten mit einer besonders hohen Staatsquote, wie das jahrelang der Fall gewesen war. Es ist von einer Reihe von anderen Industriestaaten überholt worden. In der Europäischen Union liegt es mit 45,6 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt der anderen Staaten (49,2 Prozent). Das ist eine gute Nachricht.

Die Staatsquote misst die Gesamtausgaben des Staates in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sie gibt an, welcher Anteil der gesamtwirtschaftlichen Leistung eines Landes durch die Taschen des Staates läuft und wie viel bei den Privaten bleibt. Je niedriger die Quote, umso größer der Freiraum der privaten Aktivitäten.

Niedrige Staatsquoten sind gut

Normalerweise nimmt man an, dass es dann auch mehr Wachstum und Beschäftigung gibt. Denn wenn die Staatsausgaben niedriger sind, dann ist in der Regel auch die Steuerbelastung geringer. Es wird vermutlich weniger Staatsschulden geben. Die Unternehmen müssen am Kapitalmarkt nicht mit dem Staat konkurrieren. Wettbewerb, Innovationskraft und Dynamik der Volkswirtschaft sind größer.

Lange Zeit gab es die Daumenregel, dass eine Marktwirtschaft nur dann richtig funktioniert, wenn die Staatsquote unter 50 Prozent liegt. Wenn sie darüber steigt, fängt die Staatswirtschaft an. Inzwischen ist die Mehrheit der Industriestaaten nahe an dieser Grenze oder hat sie sogar überschritten.

Das ist nicht nur eine Folge der Finanzkrisen seit Ende des vergangenen Jahrzehnts. Hier wirkt sich vielmehr das alte "Gesetz der wachsenden Staatsausgaben" aus, das der Ökonom Adolph Wagner bereits im 19. Jahrhundert beobachtet hat. Selbst in den USA, traditionell ein Hort des Kapitalismus und der Freiheit, liegt die Staatsquote mittlerweile über 40 Prozent (41,2 Prozent). In Großbritannien beträgt sie – trotz Margaret Thatcher – zuletzt bei knapp 50 Prozent.

Die Grafik zeigt die Entwicklung der Staatsquote ausgewählter Länder seit dem Jahr 2000. Der Trend nach oben ist eindeutig. In den USA stieg die Staatsquote seit 2000 um 7,3 Punkte. In Großbritannien ging sie sogar um 12,7 Punkte hoch.

Es gibt nur zwei Ausnahmen. Die eine ist Deutschland, die andere Österreich (freilich auf höherem Niveau). In beiden Ländern hat sich die Lage absolut gesehen zwar nicht verbessert. Die Staatsquote ist in etwa gleich geblieben. Sie ist aber relativ zu den anderen günstiger geworden. Das ist mit ein Grund, weshalb das Wachstum hierzulande im internationalen Vergleich besser geworden ist, absolut gesehen aber natürlich nach wie vor unbefriedigend ist (2012: plus ein Prozent).  

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