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„Deutschland muss lernen, seine Prinzipien zu Gunsten eines größeren Ziels aufzugeben“

Paul Casson
Paul Casson
Paul Casson ist stellvertretender Leiter Aktien Europa bei Henderson Global Investors

Viel ist dieser Tage die Rede vom desolaten Zustand und dem riesigen Schuldenberg an der Peripherie Europas und dem richtigen Weg aus der Krise.

Aber jede Medaille hat zwei Seiten. Wo es Verlierer gibt, da gibt es auch Gewinner. Bisher galt Deutschland als ein Gewinner der Krise. Merkwürdig ist, dass in letzter Zeit immer mehr Zweifel daran gesät wurden. Dabei ist in Deutschland von Krise keine Spur.

Um das zu verstehen, muss man etwas zurückschauen. In die frühen 90er Jahre. Wer weiß heute noch, warum die Zinsen so lange so niedrig gehalten wurden und so den Boden für den Wohlfahrtsstaat und die Immobilienblase bereiteten, die Europas Peripherie heute an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringen?

Richtig, die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland war es, die ganze zwei Billionen US-Dollar (1.583 Milliarden Euro) verschlungen hat. Ein gigantisches Projekt mit einer gepfefferten Rechnung. Letztlich aber hat es den heute in Deutschland anzutreffenden Wohlstand erst möglich gemacht. Und ohne das Wirtschaftswachstum im restlichen Europa wäre die Bilanz möglicherweise nicht ganz so günstig ausgefallen.

Unter dem Strich – aus Sicht der deutschen Wirtschaft

Aus verschiedenen Gründen hat Deutschland auch von den Ereignissen der vergangenen vier Jahre wesentlich stärker profitiert als andere Länder der Eurozone. Durch sein von der Bundesbank unterstütztes Bankensystem, den schwachen Euro und die niedrigen Zinsen. 

Um es gleich vorwegzunehmen: Das deutsche Bankensystem ist weit davon entfernt, Vorbild für andere Länder zu sein. In der Vergangenheit haben die staatlichen Kreditinstitute in Deutschland bei vielen leichtfertigen Kreditgeschäften eine unrühmliche Rolle gespielt.

Eines der ersten Opfer der Subprime-Krise war die IKB Deutsche Industriebank, die im August 2007 mit Staatsgeldern vor der Pleite bewahrt werden musste. Viele deutsche Geschäftsbanken wiederum, von einer Ausnahme abgesehen, erlitten Schiffbruch beim Versuch, im Ausland Fuß zu fassen – zu Lasten ihrer Aktionäre, die die Zeche zahlen mussten. Einige dieser Banken gibt es heute schon gar nicht mehr. Und der Rest hat mit den Cajas, also den spanischen Sparkassen, weit mehr gemein als viele denken.

Eines aber muss man ihnen lassen: Schneller als viele ihrer Wettbewerber haben sie sich aus den Banken- und Staatsanleihemärkten an den Rändern Europas zurückgezogen, als es dort zu kriseln begann.

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