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Die 10 Mythen der Finanzkrise

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6. Finanztransaktionssteuer gegen Spekulation

Funktioniert – die Preise steigen aber trotzdem. Beispiel Österreich: Das Land besteuert Aktiengewinne seit 2012 mit 25 Prozent. Seitdem sind die Volumina an der Wiener Börse um 70 Prozent eingebrochen, die Kursgewinne des österreichischen Leitindexes ATX aber um 16 Prozent gestiegen. Beim Dow Jones waren es nur 8 Prozent.

Es ist die Nachfrage – und nicht Europas Lieblingssündenbock, der Spekulant –, die für die Preise-Rally sorgt. Und weil die US-Politik unter Präsident Barack Obama frisch gedruckte Dollarnoten mittlerweile schon für null Prozent ans Volk verschenkt, bläht immer noch mehr Staatsgeld immer noch mehr Blasen auf.

7. Wegen Banken höhere Staatsdefizite

Stimmt. Vor allem wegen staatlichen Banken. Professor Schneider von der TU München rechnet, dass 80 Prozent des deutschen Bankenrettungsfonds Soffin für Staats- und Landesbanken benötigt wird. Ob Bayern LB, IKB oder Bawag, Hype Alpe Adria und Kommunalkredit – abzuschreiben ist Steuergeld vor allem dort, wo Politiker und nicht Banker hinter dem Tresen saßen.

8. Gewinne privatisiert – Verluste sozialisiert

Seit 1819 hatte eine Erste Bank AG Tausende Familien gut ernährt, das Volkseinkommen Jahr für Jahr erhöht. In 193 Jahren wurden unzählbare Milliardenbeträge an Steueraufkommen sozialisiert – egal, ob in Gulden, Kronen, Schilling und Euro. Nur in (den vergangenen) 3 von 193 Jahren musste sich die Bank Geld von Österreich pumpen. Für 8 Prozent Zinsen – obwohl diese es sich um nur 3 Prozent besorgt hatte.

9. Kapitalismus funktioniert nicht mehr

Hedgefondsmanager John Paulson verdiente mit seiner Spekulation gegen faule Immobilien-Wertpapiere vier Milliarden Dollar – was die Unmoral des inkriminierten Systems beweise. Tatsächlich war Paulson bloß klüger und mutiger als andere. Er hatte das Ungleichgewicht, das der US-Staat mit künstlich niedrigen Zinsen aufgebaut hatte, erkannt und konsequent agiert.

Schon Starinvestor George Soros konnte 1992 gegen das britische Pfund nur deshalb erfolgreich spekulieren, weil dessen Politiker es durch künstlich hohe Zinsen überbewertet hatten. Britischen Wählern sollte eine hohe Kaufkraft suggeriert werden.

Tatsächlich sind die Spekulationen hochtalentierter Bürger auf modernen Kapitalmärkten leichter möglich als am kargen Acker Nordkoreas. Es aber als Krise des Kapitalismus zu deuten ist ähnlich wissenschaftlich wie es als Krise des Wohlfahrtsstaates zu deuten, wenn der Taxifahrer Jeff Smith aus Minnesota über Jahre hinweg gleichzeitig Sozialhilfe und nicht versteuerte Einkünfte bezog.

10. Staat muss stärker in Wirtschaft eingreifen

Über die Jahre hinweg hatten Europas Gewerkschaften, SPD-Politiker aus dem linken Flügel um Oskar Lafontaine, aber auch Globalisierungskritiker wie Christian Felber (von Attac), die Europäische Zentralbank (EZB) zu immer weiteren Zinssenkungen aufgefordert. Die Linke glaubt nicht an die Kraft des Individuums und so hält sie den Staat als Auftraggeber für die Wirtschaft unverzichtbar – auf Pump finanziert.

Es war aber gerade dieser keynesianische Grundirrtum, der Japan mit seinen ungezählten Konjunkturpaketen (auf Pump) zum höchstverschuldeten Land der Welt gemacht hat.

Und es war die kluge Sparpolitik von Carl Bildt und Frederik Reinfeldt, die den Schuldenberg schwedischer Sozialdemokraten ab den 1990ern von 75 Prozent auf 38 Prozent am Bruttoinlandsprodukt halbierte – bei gleichzeitig hohem Wirtschaftswachstum.

Benötigte Wirtschaftsbildung

Europa braucht weitere Konjunkturpakete, Steuern oder Politiker in Staatsfirmen so dringend wie das neue Libyen neuen Sand. Tatsächlich dürstet der Kontinent – aber nach „echter“ Wirtschaftsbildung: An den Schulen, Universitäten und im Parlament.

Wenn Europa heute - 67 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – immer noch glaubt, eine verschwörerische Clique aus Banken, Kapital und Spekulanten würde 99 Prozent der Mensche“ beherrschen („Stichwort Ungarn“), dann erinnert das immer öfter an die 1920er. Und an seine großen Visionen, angesprochene Cliquen zu bekämpfen.

Über den Autor: Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg/Österreich und hat soeben sein neues Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“ herausgegeben. Es versteht sich als Antwort auf Globalisierungskritiker wie Christian Felber („Attac“) oder Jean Ziegler.

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