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„Die Baronin von Rothschild wurde ein Mensch wie du und ich“

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DAS INVESTMENT.com: Was gibt es denn zu kritisieren, wenn jemand Geld spendet.

Baur: Zum Beispiel passen die Investments einer Stiftung manchmal nicht ganz zum Stiftungszweck. Teile davon, wenn auch nur kleine, sind ethisch fragwürdig und konterkarieren damit ihre eigenen Ziele. Das könnte man in einem weiteren Film seriös und nicht anklagend erzählen.

DAS INVESTMENT.com: Der Film zeigt Menschen, die nach dem Tod mindestens die Hälfte ihres Vermögens stiften wollen, und Menschen, die das ablehnen. Ihre Meinung als Filmemacher ist aber nicht zu erkennen.

Baur: Ganz bewusst. In Europa ist es üblich, dass wohlhabende Menschen in Dokus regelmäßig verurteilt werden. Nach dem Motto: Die darf man nicht gut dastehen lassen. Dagegen haben wir uns bewusst gewehrt und lieber weitgehend neutral gezeigt, was passiert und was Sache ist.

Gladitz: Es liegt auch am Zeitdruck gegen Ende der Produktion. Wir hoffen aber, dass wir auch eine 90 Minuten lange Kinoversion machen dürfen, in der unsere Meinung etwas besser zu sehen ist.

DAS INVESTMENT.com: Aber hier dürfen Sie sie schon vorab verraten.

Baur: Die ist sogar im Film vertreten, wenn auch sehr zurückhaltend. Wir beide sind Europäer und von dem System hier überzeugt. Aufgaben wie Straßenbau und Bildung sollten über einen demokratischen Prozess und damit über Steuern finanziert werden.

Gladitz: Es ist nicht in Ordnung, dass manche nur wenige Prozent Steuern zahlen und dann machen, was sie wollen.

DAS INVESTMENT.com: Ist das amerikanische System schlecht?

Baur: Es ist auf jeden Fall anders. Wenn jemand in Amerika reich wird, ist er der Held. Wenn er das Geld wieder hergibt, ist er der Superheld. Der gesellschaftliche Druck zu spenden ist viel stärker ausgeprägt. Es ist fast Tradition. Dafür sind aber die Steuern niedrig. Nur wer sagt denn, dass das Geld auch an den richtigen Punkten ankommt?

DAS INVESTMENT.com: Tut es das nicht?

Gladitz: Nicht immer. Es sind sogar sehr zweifelhafte Geschichten dabei, in die Geld fließt. Zum Beispiel die Tea-Party-Bewegung.

Baur: Es fehlt dort eine wirklich breite Diskussion darüber, was in einer Gesellschaft nötig ist.

Gladitz: 2010 und 2011 hatten wir noch überlegt, ob wir eine Meinung vertreten und eine harte Kapitalismuskritik daraus machen. Ich war als Filmemacher bisher viel systemkritischer unterwegs. Wir haben uns gestritten und wären fast auseinander gegangen. Wir haben unsere Meinung dann aber doch bewusst sehr zurückgehalten. Stattdessen haben wir eine Diskussion unter diesen sechs Reichen entstehen lassen und die Systeme in USA und Europa verglichen. Die Leute entwickeln sich. Die Baronin von Rothschild wird im Laufe des Films nachdenklich, stellt sogar den aktuellen Systemzustand infrage. Am Ende trifft sie sich mit Warren Buffett. Alter Geldadel trifft neuen Investor aus Amerika. Da entsteht also etwas. Und damit bin ich sehr zufrieden.

Baur: Diskurs ist besser als eine Klatsche. In Europa existiert aber noch immer so eine Art Klassenkampf gegen Reiche. Das verhindert eine seriöse Diskussion, wann jemand zu Recht zu Wohlstand gekommen ist, und wann jemand die Gesellschaft nur ausgenutzt und ihr sogar geschadet hat.



Pudern und Emails checken: Investor Nicolas Berggruen vor dem Interview (Foto: Ralph Gladitz)