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Aktualisiert am 27.01.2020 - 17:49 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten

Die fantastischen Vier: Das große Bric-Interview mit Thomas Gerhardt von der DWS

Thomas Gerhardt
Thomas Gerhardt

DAS INVESTMENT.com: Welches der vier Bric-Länder ist auf langfristige Sicht Ihr Favorit? Thomas Gerhardt: Das größte Potenzial hat ganz sicher China. Die Summe von Einzelfaktoren ist am stimmigsten. Eine enorm hohe Bevölkerungszahl auf einer riesigen Landmasse trifft auf eine breite Industrie. Die Volkswirtschaft und die Politik werden zentral gesteuert und liegen in einer Hand. Das ist für ein Entwicklungsland ein sehr großer Vorteil. >> Wer ist Ihr BRIC-Favorit? Zur BRIC-Umfrage DAS INVESTMENT.com: Wer folgt dem großen C? Gerhardt: Brasilien, Russland und Indien haben für sich gesehen alle ein großes Potenzial. Aber jedes Land hat auch ganz individuelle Schwachstellen. Ich würde die drei Länder gleichgewichten. Indien startet vom niedrigsten Niveau. Russland hängt sehr stark am Öl- und Gaspreis. Brasilien wird wahrscheinlich noch am ehesten unterschätzt. DAS INVESTMENT.com: Inwiefern? Gerhardt: Das Land ist inzwischen Netto-Exporteur von Rohöl. Bis die großen Quellen erschlossen werden, vergehen noch fünf Jahre oder mehr. Aber Brasilien ist auf dem besten Weg ein Mini-Saudi-Arabien zu werden. Kaum erkannt wird bisher auch die Agrarindustrie. Über die Börse kommt man da bisher noch nicht richtig dran. Jeder kennt Rindfleisch aus Argentinien, Brasilien hat viel mehr Fleisch, viel mehr Land, unglaublich viel Soja und Zucker. Dadurch ist Brasilien jedoch deutlich abhängiger von der Nachfrage Chinas. Steigt der Wohlstand dort, ändern sich auch die Essgewohnheiten, hin zu mehr proteinhaltiger Nahrung. Davon wird Brasilien profitieren. DAS INVESTMENT.com: Brasilien zahlt aktuell viele Schulden zurück und die Inflation sinkt. Mittelstandsförderung am Zuckerhut? Gerhardt: Natürlich. Vor zwei Jahren lagen die Zinsen noch bei 20 Prozent. Wer nimmt denn zu solchen Konditionen einen Firmenkredit auf oder kauft sich ein Haus? Es sind ganz wichtige Signale momentan. Zinsen und Inflation sinken. Das stärkt den Binnenkonsum. Und es wird auch dazu führen, dass verstärkt Kapital vom Renten- an den Aktienmarkt zurückkehrt. DAS INVESTMENT.com: Der russische Aktienmarkt hat im vergangenen Jahr am stärksten gelitten. Gerhardt: Damit hatte ich selber auch nicht gerechnet. Aber gerade 2008 hat gezeigt, dass das Wohl und Weh des Staates und der Wirtschaft am Ölpreis hängt. Diese starke Abhängigkeit ist ein großes Manko. Leider ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Politik oder Wirtschaft nachhaltig aus dieser Abhängigkeit lösen möchte. Der Staat verdient prächtig am hohen Ölpreis. Öl ist aber auch die Quelle neuer Unternehmen. Ich glaube wir werden künftig mit einen Ölpreis von deutlich über 60 Dollar leben müssen. Das ist gut für Russland. Wer jedoch an einen fallenden Ölpreis glaubt, ist in Russland nicht gut aufgehoben. DAS INVESTMENT.com: Der geht besser nach Indien? Gerhardt: Indien ist ein Phänomen. Es ist das ärmste Bric-Land. Gleichzeitig Weltmarktführer im Software-Bereich und eine Größe im Generika-Geschäft. Unter den vier Ländern hat Indien die am besten gemanagten Unternehmen und die Unternehmensvielfalt ist am breitesten. Dafür gibt es strukturelle Probleme. Der Föderalismus hindert eher, als das er hilft. DAS INVESTMENT.com: Nach den herben Verlusten im vergangenen Jahr erleben die vier Aktienmärkte ein großartiges Comeback. Erholungsrally oder auch fundamental begründete Kurssteigerungen? Gerhardt: Das ist schwierig zu beurteilen. Es ist eine Mischung aus beidem. 2008 haben Anleger für den sensationellen Erfolg der vorangegangenen Jahre bitter bezahlt. Es hat eine Superübertreibung nach unten stattgefunden. Als ob jemand im vergangenen Jahr die Reset-Taste gedrückt hat und sich die Länder und Unternehmen in den letzten Jahren nicht entwickelt hätten. Unser Fonds notierte zeitweise wieder auf dem Niveau der Auflage. Das ist maßlos übertrieben gewesen. Daher erholen sich die Märkte entsprechend. Aber auch aus fundamentaler Sicht spricht viel für die Brics. Was sehen wir denn? Die Volkswirtschaften sind in Ordnung, dass Wachstum stimmt. China wächst nicht mehr zweistellig, aber immer noch um 8 Prozent, Indien um fast 6 Prozent. DAS INVESTMENT.com: Entsprechend ambitioniert sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Gerhardt: Die Kennziffer ist recht untauglich für die Brics. Der indische Markt ist häufig der teuerste. Aber nur optisch. Für eine deutsche SAP müssen sie auch immer mehr zahlen als für eine Thyssen Krupp. Also sind indische Hightech-Unternehmen teurer als russische Öl-Konzerne. Ein Engagement in den Bric-Ländern sollte zudem nur langfristig ausfallen. DAS INVESTMENT.com: Wer nicht investiert ist, kann froh sein das vergangene Jahr verpasst zu haben, dürfte aber wegen der starken Erholung heute wiederum verunsichert sein. Gerhardt: Gutes Timing ist sehr schwierig – vielleicht mit Glück, kaum bewusst. Natürlich können Märkte, die in wenigen Monaten um 80 Prozent gestiegen sind auch mal um 15 oder 20 Prozent korrigieren. Aber derzeit zeigen sich die vier Börsen recht resistent gegen fallende Kurse. Das ist ein gutes Zeichen. Für Außenstehende ist es auch eine psychologische Hürde: Eine Gazprom-Aktie hatte ihr Hoch bei über 40 Euro, ihr Tief bei 8 und kostet heute 16 Euro. Nur weil sich der Wert verdoppelt hat, ist er längst noch nicht zu teuer. Aus psychologischer Sicht schreckt so eine 100-Prozent-Nummer erstmal ab, wenn man nicht dabei war. DAS INVESTMENT.com: Was können Sie Bric-Interessenten raten? Gerhardt: Langfristig einsteigen. Wer noch unsicher ist, sollte die Hälfte heute einzahlen. Eventuell eine kleine Korrektur aussitzen und den Rest im kommenden Jahr nachschießen. DAS INVESTMENT.com: Wie viel ihres eigenen Vermögens steckt in den Brics? Gerhardt: Etwas mehr als 20 Prozent.    

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