LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Lesedauer: 3 Minuten

„Die jüngste Leitzinssenkung der EZB war richtig“

Thomas Steinemann, Chefstratege der Vontobel-Gruppe
Thomas Steinemann, Chefstratege der Vontobel-Gruppe
Thomas Steinemann, Chefstratege der Schweizer Vontobel-Gruppe

Die Beschlüsse werfen neue Fragen auf, zum Beispiel hinsichtlich des „freiwilligen“ Schuldenverzichts jener Banken, die griechische Staatstitel halten. Die formelle Freiwilligkeit war nötig, denn nur so ließ sich eine offizielle Zahlungsunfähigkeit Griechenlands verhindern.

Bei einem Staatsbankrott wären die sogenannten Credit Default Swaps (CDS) – eine Versicherung gegen den Ausfall von Obligationen – fällig geworden, was eine Kettenreaktion zur Folge gehabt hätte.

Allerdings ist es ja gerade der Sinn einer Versicherung, einen Schutz im Schadensfall zu bieten. Wenn dieses System nun umgangen wird, muss sich jeder Investor künftig die Frage nach dem Nutzen einer im Ernstfall untauglichen Versicherung stellen.

Problemfall Italien

Ein weiteres ungelöstes Problem: Das zusehends schrumpfende Vertrauen in die nach wie vor unzureichenden Lösungen der EU äußert sich auch in einem unaufhaltsamen Anstieg der italienischen Anleiherenditen.

Diese sind seit längerem nicht mehr tragbar für das südeuropäische Land, das mit einem Zinsniveau von rund drei Prozent nicht aber von sechs Prozent leben kann. Eine Reduktion der italienischen Zinsen ist deshalb unumgänglich.

Der Königsweg dazu besteht in einem glaubwürdigen Plan zur Haushaltssanierung und damit der Beseitigung des Schuldenbergs. Kann dies nicht schnell und gründlich geschehen, muss als Notlösung die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen kaufen. Auch wenn dies aus ordnungspolitischer Sicht gewisse Risiken bergen mag, so reflektiert ein solcher Eingriff nun einmal die politischen Sachzwänge in einem heterogenen europäischen Wirtschaftsraum.

Lob für die EZB

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Die jüngste Leitzinssenkung der EZB unter ihrem neuen Präsidenten Mario Draghi ist positiv zu werten. Vor diesem Schritt war die Zinskurve in der Eurozone so invers wie seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 nicht mehr: Die Zinsen kurzfristiger Papiere lagen um 100 Basispunkte über jenen der längeren Laufzeiten.

Eine inverse Zinskurve ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass zu wenig Liquidität in die Wirtschaft fließt, die Geldpolitik zu restriktiv ist und die Wirtschaft sich abkühlen wird. Dies hat der neue EZB-Chef erkannt und folgerichtig die Zinssenkung auch damit begründet.

Die breite Öffentlichkeit schätzt eine expansive Geldpolitik immer noch falsch ein und unterstellt den Zentralbanken, sie würden mutwillig hohe Inflationsraten in Kauf nehmen. Dabei wird verkannt, dass Finanzkrisen immer deflationärer und nicht inflationärer Natur sind.

Der Grund liegt darin, dass Finanzkrisen immer einen Schuldenabbau – auch "Deleveraging" genannt – nach sich ziehen. Dieser Prozess kann bei den privaten Haushalten wie derzeit in den USA erfolgen, bei den Unternehmen wie in Japan seit den 1990er Jahren, oder bei den Staaten wie derzeit in Europa.

Bei Schuldenabbau geht es immer um Sparen, was eben deflationäre Tendenzen mit sich bringt. Solange dies der Fall ist, ist eine expansive Geldpolitik sinnvoll.

Was bedeutet all dies für die Investoren?

In diesem nach wie vor unsicheren Umfeld bevorzugt Vontobel weiterhin defensive Anlageklassen, die Eigenschaften von Risikopuffern haben. Dazu gehören Bargeld, bis zu einem gewissen Grad deutsche und schweizerische Staatsanleihen, Edelmetalle und geeignete Hedgefonds-Strategien.

Innerhalb des Aktienbereiches, der trotz einer Untergewichtung in unseren Portfolios unbedingt eine Rolle spielen sollte, ist ein Fokus auf Qualitätstitel sowie auf die Themen Dividenden und Value angezeigt.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion