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in AltersvorsorgeLesedauer: 7 Minuten

Die Retter der Altersvorsorge Wie Finanzberater ihre Kunden vom Sparbuch loseisen

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Die Universität St. Gallen zeigt in einer Studie für Fidelity und AXA Wege auf, wie die beiden kooperierenden Branchen auf kostspielige Garantien gänzlich verzichten könnten. Die Schweizer Forscher empfehlen, sich nicht nur auf die prozentuale Verteilung des Kapitals auf einzelne Assetklassen zu beschränken. Stattdessen sollten Portfolios zusätzlich am verständlich zu erläuternden Risikoindikator SRRI ausgerichtet werden. Überwacht das Management die Einhaltung vorgegebener Schwankungsbreiten, die von SRRI 1 bis SRRI 7 reichen, verhindert dies ein unerwünschtes Überschießen von Anlagerisiken. Der Vorsorgesparer verfügt in diesem Fall stets über ein Portfolio, das der von ihm im Beratungsgespräch zu Protokoll gegebenen Risikoneigung entspricht.

Im Niedrigzinsumfeld greifen Fondspicker verstärkt auf Mischfonds zurück, die alternative Strategien mit Absolute- Return-Charakter verfolgen. Deren Ziel ist es, sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten positive Erträge zu erwirtschaften. Welche Instrumente Portfoliomanager dabei nutzen, muss allerdings erst einmal verstanden und dann auch noch vermittelt werden. Teilweise kommt dies einer Herkulesaufgabe gleich – ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Finanzbranche mit Ausbruch der Weltfinanzkrise doch in den Keller gerutscht und hat sich bis heute kaum erholt.

Indes: Gute Fonds haben sich über Zeiträume von zehn Jahren und mehr in der Vergangenheit immer ausgezahlt. Um die Versicherten vor Verlustrisiken noch weiter abzuschirmen, kombinieren viele Anbieter die Fondsinvestments mit zusätzlichen Absicherungsmechanismen und flexiblen Garantien. Als bewährtes Instrument sehen zahlreiche Altersvorsorgelösungen ein Ein- und Ausstiegsmanagement vor. Dies mildert Verwerfungen, wenn große Beträge auf einmal investiert werden oder in Kürze zur Auszahlung stehen.

Deckungsstock-Hopping

Andere Anbieter kombinieren das Fondssparen mit endfälligen Garantien, etwa bezogen auf die nominal eingezahlten Beiträge. Wer als Kunde flexibel bleiben möchte, kann eine Police wählen, die aktive Eingriffe in die Fondsauswahl sowie zwischenzeitliche Zuzahlungen und Entnahmen ermöglicht. Interessant ist auch die Option, vom ursprünglichen Fondssparen später in den Deckungsstock zu wechseln oder kapitalgebundene Auszahlpläne bei Bedarf in eine lebenslange Rente umzuwandeln. Zusätzlich mögliche Absicherungen biometrischer Risiken erweitern die Produktvielfalt nochmals. Fondspolicen profilieren sich aber nicht nur als Multi-Möglichkeiten-Produkt. Mit ihnen lassen sich auch noch Steuern sparen. Das gilt auch für Privatverträge ohne Einbindung von Riester, Rürup oder den eigenen Arbeitgeber. Auf den Steuerstundungseffekt in der Ansparphase folgen im Regelfall deutlich reduzierte Abgaben während des Rentenbezugs.

Bedrohung aus dem Netz

Den Vermittlern vor Ort kommt die Auf-gabe zu, den Kunden die vielfältigen Altersvorsorgekonzepte näherzubringen. Allerdings verfügen bislang noch nicht alle Berater über das nötige Rüstzeug dazu. Zudem unterliegt die Finanz- und Vorsorgeberatung immer stärkeren regulatorischen Anforderungen. Schlussendlich machen auch noch neue Konkurrenten den Alteingesessenen das Leben schwer. Vergleichsportale werben aggressiv um Kunden, und reinrassige Online-Anbieter versuchen ebenfalls, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden.

Eine Internetpräsenz verlangen nach Beobachtung der Unternehmensberatung von Horvath & Partners auch immer mehr Kunden. Sie haben sich daran gewöhnt, via Notebook und Tablet zu recherchieren. Vor allem das jüngere Publikum will Finanzgeschäfte via Mausklick erledigen. Dies ebnet Fintechs den Weg, im Reich der etablierten Anbieter zu wildern und Marktanteile zu erobern.

Angesichts der neuen Konkurrenten und zugleich höherer Arbeitsbelastung erwartet Hovath & Partners daher, dass bis 2020 jede vierte Versicherungsagentur aufgeben muss. Als Reaktion dürfte auch die Zahl sogenannter hybrider Agenturen zunehmen, die beides bieten – persönliche Beratung in den Geschäftsräumen und zu Hause sowie moderne Kommunikation, etwa über Chats oder Videokonferenzen.

Und auch für die Versicherungsbranche gilt: Nimmt der Wettbewerb zu, hat es sich schon immer ausgezahlt, den technologischen Wandel mitzugestalten. So bleibt man im Geschäft.

Interview mit Joachim Zech, Geschäftsführer Deutsche Makler Akademie

DAS INVESTMENT: Kommen die Berater mit der neuen Produktwelt gut zurecht?

Joachim Zech: Noch nicht so ganz. Nach den Börsenkrisen 2003 und 2008 bekamen sie zu spüren, dass ihre Kunden die Kapitalanlageprodukte nur an der Höhe der Rendite bewertet haben und nicht an der Qualität der Beratung. Aktuell müssen die Berater ihre Vorbehalte gegenüber den neuen Kapitalmarkt-Angeboten überwinden – ihre alte Produktwelt verschwindet schließlich gerade.

Wo bestehen denn noch besondere Wissenslücken?

2015 haben wir rund 6.500 Branchenangehörige in den verschiedenen Aus- und Weiterbildungsgängen gehabt. Das Basiswissen über die Finanzmärkte, ihre unterschiedlichen Anlageklassen und Mechanismen lässt sich nach unserer Beobachtung sicher noch ausbauen. Hier schulen wir mit aufeinander aufbauenden Seminaren, etwa zu den Themen Anlagestrategien, Besteuerung von Kapitalmarktprodukten sowie Fondskennzahlen und Fondsbewertungen. Außerdem könnten in der täglichen Beratung die Bedürfnisse und individuellen Risikoneigungen der Kunden noch umfassender analysiert werden. Reine Produktschulungen umfasst unser Programm aber nicht, das überlassen wir den Anbietern.

Neben den Markt- und Produktfragen müssen sich die Berater noch mit der Regulierung herumschlagen...

Ja, die Haftungsrisiken steigen, und das war wohl auch regulatorisch so gewollt. Der Gesetzgeber hat sich gesagt: „Wenn ich den Berater stärker reguliere, schütze ich den Kunden.“ Die neuen Aufklärungs- und Transparenzpflichten korrekt umzusetzen und rechtssicher zu beraten – auch in dieses Gebiet müssen sich viele Vermittler noch intensiver einarbeiten.

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