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Die Strippenzieher: Versicherer beteiligen sich bei Finanzvertrieben und Maklerpools

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Interessenkonflikte sind im Finanzvertrieb nichts Neues. Seit jeher kritisieren Verbraucherschützer und Fachmedien das Spannungsfeld für Berater, zwischen Kundeninteressen einerseits und Provisionen für einen erfolgreichen Abschluss andererseits abwägen zu müssen.

Als Reaktion darauf versichern viele Vertriebe, innerhalb einer Produktsparte keine unterschiedlichen Provisionssätze mehr vorzugeben – so hätte der Berater keinen Anreiz, einen bestimmten Anbieter vorzugsweise zu empfehlen. Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe von DAS INVESTMENT (August 2009).

Titelgeschichte: BRIC-Staaten - Comeback der Super-Märkte

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>> zum Abo-Service & Einzelheftbestellung Der Hannoveraner Maklervertrieb Formaxx propagiert, Bestandsprovisionen auf sämtliche Verträge zu leisten, unabhängig von der Gesellschaft und von vorgegebenen Umsatzzahlen. Auch Konkurrent AWD gleicht erklärtermaßen unterschiedliche Provisionssätze der Produktgeber aus, sodass ein einheitlicher Level pro Sparte entstehen soll. Frage nach Freiheit Allen Beteuerungen zum Trotz bleibt die Frage, wie viel Freiheit angesichts dessen bleibt, dass Versicherungskonzerne seit einiger Zeit in die Vertriebsbranche drängen und sich bei Vertrieben einkaufen. Bei in der Finanzmarktkrise weiter rückläufigem Geschäft steht manche Assekuranz mit dem Rücken zur Wand und verfügt oftmals über keinen leistungsstarken Hausvertrieb. Neue Absatzkanäle müssen her. Grafik: Beteiligungen an Finanzvertrieben - hohes Ausmaß (Stand: 2008)
>> vergrößern Aktuelles Beispiel: Vier Versicherer (Signal Iduna, Stuttgarter, Barmenia und Volkswohl Bund) wollen sich mit je 8,33 Prozent an Maklerpool BCA beteiligen. Die letztgenannten beiden sind zusammen mit dem Münchener Verein auch am Anfang des Jahres gestarteten Pool Ökorenta Finanz beteiligt, der schwerpunktmäßig auf ethische, ökologische und nachhaltige Produkte setzt. An weiteren Beispielen herrscht kein Mangel: Im Dezember 2008 wurde bekannt, dass der 2007 von Ex-Führungskräften von MLP, AWD und der DVAG neugegründete Finanzvertrieb Formaxx mehrere Finanzspritzen in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro vom Deutschen Ring erhalten hatte. Beteiligungen und Neugründungen Ein weiterer Fall: Der Versicherungskonzern Axa beteiligte sich zunächst an MLP, später dann auch an Aragon, der börsennotierten Konzernmutter des Maklerpools Jung, DMS & Cie. Aragon wiede­rum hatte Ende 2007 die Mehrheit der Anteile am Regensburger Strukturvertrieb Compexx übernommen. Und der Talanx-Konzern hält seit März 2008 bei MLP 9,9 Prozent. Auch hier lautet die Begründung: Die Vertriebskraft der Lebensversicherer der Talanx-Gruppe solle gestärkt werden. Zudem gründen kapitalstarke Konzerne eigene Pools. Talanx initiierte Partner Office und Clarus, WWK den Pool 1:1 Assekuranzservice. „Ein hauseigener Pool bietet die Chance auf bessere Auslastung der bereits vorhandenen Konzern-Infrastruktur“, sagt Sabine Brunotte. Die Expertin für Marketing und Vertrieb verfasst bereits ihre zweite Studie zum Pool-Segment und sieht einen weiteren Grund für den Trend zur Beteiligung: Der Zugang zu ungefilterten Einblicken in den externen Vertrieb. „Welche Anforderungen stellen Makler an Produkte, wie bewerten sie Produktdetails, was entwickelt der Wettbewerb, und wie nimmt der ungebundene Vertrieb diese Neuerungen auf?“, zählt Brunotte entscheidende Fragen auf, die ein eigener Pool beantworten kann. Grafik: Beteiligungen an Finanzvertrieben - mittleres Ausmaß (Stand: 2008)
>> vergrößern Wirft man einen Blick auf die größten deutschen Finanzvertriebe, zeigen sich erhebliche Verflechtungen (siehe Schaubild rechts). Besonders kontrovers wurde der Fall des vom Schweizer Assekuranzkonzerns Swiss Life übernommenen Finanzvertriebs AWD und dessen gescheiterte Einflussnahme auf den Konkurrenten MLP diskutiert. Offizielle Angaben, inwieweit sich der Anteil der vermittelten Swiss-Life-Produkte verändert hat, gibt es nicht. Swiss-Life-Konzernchef Bruno Pfister scheint zufrieden. „Durch die Anpassung von zwei Produkten an die Bedürfnisse der AWD-Zielkunden im deutschen Markt haben wir hier erfreuliche Erfolge erzielt; zwar noch in einem kleinen Segment, aber die Erfahrungen werden uns bei der Weiterentwicklung der Zusammenarbeit helfen,“ so Pfister wegweisend. „Die meisten heften die Unterlagen ungelesen ab." Auch in der Schweiz sei ein neues Swiss-Life-Produkt bei AWD erfolgreich eingeführt worden. Fakt ist: Berater sind aufgrund des Vermittlergesetzes (Paragraf 11 VersVermV) und der darin definierten Informationspflichten seit Mai 2007 dazu verpflichtet, sich bei der Erstinformation des Kunden auszuweisen. Neben seinem Status als Makler oder Vertreter muss der Berater dabei auch auf Beteiligungen von Produktgebern am Vertriebsunternehmen eigens hinweisen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Beteiligung des Versicherers 10 Prozent erreicht oder überschreitet. An Pools angeschlossene Makler sind davon nicht betroffen, weil sie als selbstständige Handelsvertreter nach Paragraf 93 Handelsgesetzbuch nicht im Namen des Pools beim Kunden auftreten. Grafik: Keine Beteiligung von Produktgebern/Banken (Stand: 2008)
>> vergrößern Die Bedeutung der Informationspflichten scheint ohnehin überschätzt. Anders als erwartet, nehmen Kunden die Vielzahl an Produktinformationsblättern, Beispielrechnungen und Beratungsdokumentationen nur marginal wahr. „Die meisten heften die Unterlagen ungelesen ab oder werfen nur einen oberflächlichen Blick darauf. Nur 23 Prozent der Kunden studieren die Informationen gründlich, 6 Prozent werfen sie gar ungelesen weg“, sagt Christoph Müller, Projektleiter von You Gov Psychonomics, zu einer Studie zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Die Vertriebe jedenfalls sehen ihre Unabhängigkeit trotz Versicherer-Beteiligung oder -Übernahme nicht eingeschränkt, solange der Versicherer keinen Einfluss auf die Produktauswahl nimmt – was nicht immer glaubhaft scheint. Extrem kritisch sieht das der Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM), der als Vertreter unabhängiger Makler die Prinzipien hochhält: „Makler sind Sachwalter des Kunden. Geradezu eine Perversion ist es, dass Versicherer zunehmend an Maklerfirmen oder deren Servicegesellschaften beteiligt sind“, so VDVM-Geschäftsführer Hans-Georg Jenssen. Indes: Von den umsatzstärksten Vertrieben in Deutschland sind nur wenige im Vermittlerregister im Maklerstatus registriert. Vertreter oder Makler? AWD, OVB und die Zurich-Tochter Bonnfinanz sind ebenso wie Telis Finanz als „Versicherungsvertreter mit Erlaubnis nach Paragraf 34d Absatz 1 Gewerbeordnung“ eingetragen, was einem Mehrfachvertreter entspricht, die Vermittler der Deutschen Vermögensberatung agieren als „gebundener Versicherungsvertreter nach Paragraf 34d Absatz 4 Gewerbeordnung“. Das enthebt die Mitarbeiter der Pflicht, die gesetzliche Mindestqualifikation nachzuweisen. Hintergrund: Die DVAG fungiert als Ausschließlichkeitsvertrieb der AMB Generali Gruppe, die zu knapp 50 Prozent an der DVAG beteiligt ist. Im Maklerstatus agiert von den zehn nach Provisionserlösen größten bankenunabhängigen Finanzvertrieben lediglich die Hälfte: MLP, Infinus, Global-Finanz, Plansecur sowie die A.S.I. Wirtschaftsberatung.

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