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„Ein Vetorecht der Deutschen in der EZB wäre ein Irrweg“

Martin Hüfner von Assénagon
Martin Hüfner von Assénagon
Die Ruhe an den Finanzmärkten ist gespenstisch. Jeder weiß, dass die Probleme keineswegs gelöst sind. Die Konjunktur kann in eine Rezession umkippen.

Die politische Lage im Nahen Osten und auch anderswo kann eskalieren. In der Eurokrise ist es, als wenn zwei Züge aufeinander zufahren. Die Griechen brauchen mehr Geld. Wichtige Partner sind nicht bereit, mehr zu geben. Italiener und Spanier hoffen auf niedrigere Zinsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) streitet darüber wie das zu machen ist. Finanzmärkte und zunehmend auch Politiker bereiten sich auf einen Zusammenbruch des Euros vor.

In einer solchen Situation schaut jeder nach Zeichen, wo sich etwas bewegt. In der Eurokrise wird gerade eine neue Baustelle aufgemacht. Einige fordern eine Veränderung der Stimmengewichte im Governing Council der EZB. In Zukunft solle nicht mehr nach Köpfen abgestimmt werden, sondern nach der Wirtschaftskraft, die hinter den einzelnen Mitgliedern steht.

Insbesondere die Vertreter Deutschlands, als der größten Volkswirtschaft der Gemeinschaft, sollten mehr zu sagen haben. Am besten sollten sie ein Vetorecht bekommen.

Könnte das die Situation verbessern? Positiv: Wenn die Deutschen in den Gremien der EZB nicht mehr befürchten müssten überstimmt zu werden, könnten sie vielleicht kompromissbereiter sein – etwa in Fragen der Finanzierung.

Negativ kann man darin aber auch ein neues Störfeuer der Gegner des Euros sehen. Die Hardliner wollen die Schuldnerländer in Südeuropa noch mehr in die Defensive drängen.

Auf den ersten Blick erscheint eine Gewichtung der Stimmen nach der Wirtschaftskraft plausibel.

Ungleichgewichte

Es ist in der Tat schwer einzusehen, dass die Zentralbankchefs von Malta oder Zypern in der europäischen Geldpolitik genau so viel zu sagen haben, wie der Präsident der Deutschen Bundesbank. Luxemburg hat bei Gründung des Euroraums überhaupt nur deshalb eine Zentralbank geschaffen, um im Rat mitreden zu können (in der zuvor bestehenden Währungsunion mit Belgien brauchte es kein eigenes Noteninstitut).

Der Vorteil aus der Sicht der Deutschen ist, dass ihnen das Leben im Governing Council leichter gemacht wird. So unglückliche Rücktritte, wie die des früheren Bundesbankpräsidenten Axel Weber oder des Direktoriumsmitglieds Jürgen Stark, würden vermutlich nicht mehr vorkommen.

Im Übrigen gibt es eine Stimmengewichtung entsprechend der Wirtschaftsleistung schon. Und zwar bei Beschlüssen über die Gewinnverwendung der EZB. Hier stimmen die Notenbankpräsidenten allein ab (ohne die Direktoriumsmitglieder) und ihre Voten werden entsprechend ihren Kapitalanteilen gewichtet. Man müsste dieses Modell also nur auf die Geldpolitik ausweiten.

Das gleiche Gewicht aller Mitglieder besteht ohnehin nur in der Theorie. In der Praxis hat das Wort der Vertreter der großen Länder natürlich größeres Gewicht. Kleinere Länder müssen schon sehr gute Argumente haben, um die gleiche Aufmerksamkeit zu erzielen. Bei der Besetzung der Posten im EZB-Direktorium werden die Großen in der Regel bevorzugt „bedient“.

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