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„Einen Stabilitätstod werden wir auf jeden Fall sterben müssen“

Am gestrigen Mittwoch gaben die wichtigsten Notenbanken ihre Entscheidung, den Finanzmärkten mehr Geld zur Verfügung zu stellen, bekannt. Damit riefen sie unterschiedliche Reaktionen – von der Euphorie über die gewagte Entscheidung, über leichte Skepsis bezüglich der Wirksamkeit bis hin zu massiven Inflationsängsten -  hervor. Hier eine Auswahl an Aussagen aus verschiedenen in- und ausländischer Medien .

Todsünde

Im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ lehnt der Chef der Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz sowohl die Eurobonds als auch massive Anleihekäufe durch die EZB ab: „Die Finanzierung von Staatsschulden durch eine Zentralbank gehört nach aller historischen Erfahrung zu den Todsünden einer Notenbank. Sie setzt damit ihre Unabhängigkeit aufs Spiel und riskiert eine Inflation.“

Keine Inflationsgefahr

Anders sieht das laut der Nachrichtenagentur Reuters Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank: „Aber in der aktuellen Lage gibt es diese Gefahr [Inflation] nicht. Denn in einer akuten Finanzkrise möchten die verängstigten Haushalte, Unternehmen und Banken mehr Kasse halten. Die Nachfrage nach Geld steigt an. Um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach Geld und damit den Wert des Geldes zu wahren, muss die Zentralbank für die Dauer solch einer Krise das Geldangebot entsprechend erhöhen. Sonst droht uns ein deflationärer Wirtschaftskollaps.

Was ist die Alternative?

Im Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“ erklärt Robert Halver, Chefanalyst der Baader Bank „Die EZB-Politik ist natürlich aus Stabilitätsgesichtspunkten abzulehnen. Nur was ist die Alternative? Einen Stabilitätstod werden wir auf jeden Fall sterben müssen. Eurobonds genauso wie Rettungsschirme sind genauso stabilitätspolitisch bedenklich wie die EZB-Lösung. Nur die EZB-Lösung ist eine stabilitätspolitische kleinere Dimensionierung. Darüber können wir sehr schön die Märkte steuern, die Finanzmärkte können nicht mehr gegen Italien, gegen die Franzosen, gegen die Spanier wetten und damit auch nicht gegen die Banken, und damit wäre die Kuh ein bisschen vom Eis“

Pimco-Chef Mohamed El-Erian gibt sich gegenüber der „Financial Times“ skeptischer: „Die Notenbanken fühlen sich verpflichtet einzugreifen, weil andere Institutionen zu langsam und ineffektiv sind. Außerdem können sie nicht das Bedürfnis und die Erwartung aller Beteiligten ignorieren, dass sie dem Bankensystem den enormen Druck, unter dem es derzeit steht, nehmen müssen. […] Es bleibt aber die Befürchtung, dass die Zentralbanken durch diese Aktion einer Reihe von politischen Enttäuschungen zuvorkommen wollen.

Auch Redakteure wichtiger deutscher und internationaler (Online-)Medien sind sich nicht einig:

„Nur ein Nebengeschwür beseitigt“, „Pflaster statt Heilung“


„Es wurde, wenn überhaupt, nur ein Nebengeschwür der Schuldenkrise beseitigt. […] Die massive Intervention ist ein schrilles Warnsignal. Das Bankensystem stand wohl kurz vor dem Kollaps. Viele Banken trauen einander nicht mehr und leihen sich kein Geld“, so "Financial Times Deutschland".

Ähnlich sieht das "Fortune": „Das Pflaster, das Europas Führungsspitzen auf die blutende Wunde der durch Schuldenberge geplagten Eurozone löst sich ab. Die Aktion der Zentralbanken, den Markt mit US-Dollar zu überschwemmen, scheint lediglich ein neues Pflaster zu sein. Das macht es zwar für Europäische Banken billiger, einen Zugang zur Dollar-Finanzierung zu bekommen, aber das löst nicht das eigentliche Problem. Die Auswirkungen sind temporärer Natur, sie greifen aber nicht die strukturellen fiskalischen Probleme der Eurozone an“

Auch "The Economist"-Redaktion zeigt sich nicht sehr überzeugt: „Diese Aktion ist weniger signifikant als es auf den ersten Blick scheint. Die Zentralbanken weiten lediglich schon vorhandene Programme aus  - und sie fokussieren sich allein auf das Liquiditätsproblem. Die zugrundeliegende Dynamik der Schuldenkrise bleibe hingegen unverändert“.

Paukenschlag und ein sehr starkes Signal


Anders die „Börsen Zeitung“: „Mit ihrem Paukenschlag der global koordinierten Verbilligung der den Banken zur Verfügung gestellten Dollarliquidität haben die Währungshüter ein sehr starkes Signal gesetzt, das die Erwartungen der Märkte übertroffen hat. Sie haben nun die Gewissheit, dass die Notenbanken wie schon während der Subprime- und Lehman-Brothers-Krise entschlossen sind, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um zu verhindern, dass die Staatsschulden- und Bankenkrise in eine Katastrophe mündet.“

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