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in Märkte verstehen, Chancen nutzenLesedauer: 4 Minuten
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Emerging Markets „Eine Erholung, aber kein neuer Superzyklus“

Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege bei BlackRock
Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege bei BlackRock
Die Wahrscheinlichkeit einer Zinsanhebung in den USA im Juni hat zugenommen. Was heißt das für die Schwellenländer?

Felix Herrmann: Der Markt preist aktuell eine Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent ein, dass es im Juni oder Juli zu einer Zinserhöhung kommt. Was dann mit den Emerging Markets passiert, lässt sich nicht eindeutig sagen. Grundsätzlich gilt eine US-Zinsanhebung als negativ für die Länder. Denn sie geht meist mit einem stärkeren US-Dollar einher, da mit höheren Zinsen in den USA die Anlage in US-Anleihen wieder attraktiver wird.

Aber?

Herrmann: Ob der Markt eine Zinsanhebung auch diesmal als negativ für die Emerging Markets ansieht, dürfte stark davon abhängen, wie gut die US-Notenbank Fed die Zinserhöhung kommuniziert. Schließlich sind ein stärkeres Wirtschaftswachstum in den USA und eine Rückkehr der Inflation, was ja letztlich die Gründe für eine Zinsanhebung sein sollten, grundsätzlich etwas Gutes. Auch die Emerging Markets profitieren, wenn die Wirtschaft in den Industrieländern wieder auf die Beine kommt. Wenn die Fed es schafft, die Zinsanhebung als etwas Positives zu verkaufen, dürften die Emerging Markets einen vorsichtigen Zinsanstieg verkraften können.

In den vergangenen Wochen scheint das Anlegerinteresse an Emerging Markets gestiegen zu sein. Gibt es hierfür nachvollziehbare Gründe?

Herrmann: Die Zuflüsse in unsere Emerging-Markets-Produkte waren tatsächlich bis Ende April deutlich höher als im vergangenen Jahr, sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen. Im Mai hat sich das wieder etwas relativiert. Die Gründe für das gewachsene Interesse sind weniger fundamentaler Natur. Vielmehr sind viele Faktoren abgeklungen, die die Emerging Markets unter Druck gesetzt hatten: der starke Dollar, die Sorgen um das Wachstum in China und der Verfall der Rohstoff- und Ölpreise.

Bei weitem nicht alle Emerging Markets leiden unter dem niedrigen Ölpreis.

Herrmann: Das stimmt, aber in einer Ausverkaufsphase werden Emerging Markets noch alle in einen Topf geworfen.

Wird der US-Dollar nicht mit den US-Zinsen weiter steigen?

Herrmann: Er könnte noch etwas zulegen. Wir denken aber, dass die Zinsanhebungen schon weitgehend in den Dollarkurs eingepreist sind. Der Euro dürfte nicht deutlich unter 1,10 Dollar fallen, selbst bei zwei Zinsschritten in diesem Jahr.

Und inwiefern hat sich die Lage in China gebessert?

Herrmann: An den Finanzmärkten ist es ruhiger geworden. Die grundsätzliche Story bleibt. Das Land befindet sich in einem Wandel von einer industriegeprägten hin zu einer konsumorientierten Volkswirtschaft. Dieser Prozess kostet Wachstum. Man darf dabei nicht vergessen, dass eine solche Umstellung in vielen Industrieländern mehrere Jahrzehnte gedauert hat, China will dies in ein paar Jahren schaffen. Aus politischen und sozialen Gründen können die Chinesen aber keinen allzu großen Einbruch beim Wachstum zulassen. Die Regierung hat daher ein neues, riesiges Wachstumspaket auf den Weg gebracht. Umgerechnet 630 Milliarden Euro sollen in Infrastruktur fließen. Das ist letztlich ein Rückfall in alte Zeiten. Die Qualität des Wachstums wird dadurch nicht besser. Nachfrageseitig ist aber über drei Jahre mit einem zusätzlichen Wachstum von 2 bis 3 Prozent pro Jahr zu rechnen. Das ist erheblich, und es war überraschend, dass die Märkte kaum darauf reagiert haben.

Wo sehen Sie in den Emerging Markets die besseren Chancen: bei Anleihen oder Aktien?

Herrmann: Das ist so nicht zu beantworten, das hängt von der Risikoneigung des Anlegers ab. Da wir uns jedoch in eine Phase steigender US-Zinsen hinein bewegen und steigende Zinsen per se Gift für Anleihemärkte sind, würde ich im aktuellen Umfeld ein leichtes Übergewicht bei Aktien bevorzugen. Wenn sich im zweiten Halbjahr das Wachstum beschleunigt, sollte das Fantasien für steigende Unternehmensgewinne freisetzen. Davon profitieren eher Aktien als Anleihen. Das heißt allerdings nicht, dass Anleihen, sowohl in Lokal- als auch in Hartwährung, uninteressant sind.

Welche Region ist besonders attraktiv?

Herrmann: Gerade bei Aktien würde ich einen Blick gen Asien empfehlen. Die Aktien sind auf Grundlage der Kurs-Gewinn-Verhältnisse sehr günstig bewertet. Viele Länder in Asien haben bei den Strukturreformen deutlich mehr geleistet als andere. Das liegt auch daran, dass die meisten asiatischen Staaten keine Rohstoffexporteure sind und sich nie auf Rohstoffreichtum ausruhen konnten. Sie waren viel früher gezwungen, ihre Volkswirtschaften zu modernisieren. Das zahlt sich im aktuellen Umfeld aus.