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Erneuerbare Energien: „Verrückt, was da abgeht"

Matthias Fawer von Sarasin
Matthias Fawer von Sarasin
DAS INVESTMENT.com: Der Branchenindex Renixx rutschte 2011 um 54 Prozent in die Tiefe, Solon und Solar Millennium sind pleite, Q-Cells und Conergy stehen auch schon auf der Todesliste. Die chinesische LDK Solar hat die Konstanzer Solarfirma Sunways übernommen. Letzter Einschlag: Der Kurs des dänischen Windturbinenbauers Vestas rutscht wegen korrigierter Umsatz- und Gewinnzahlen um mehr als 20 Prozent in die Tiefe. Steht die Erneuerbare-Energien-Branche vor dem Aus?

Matthias Fawer: Nein, überhaupt nicht. Erneuerbare Energien haben nach wie vor ihre Berechtigung. Die Investmentstory hat sich nicht geändert. Nur an den Aktienmärkten herrscht eine absolute Lethargie.

DAS INVESTMENT.com: Nach Fukushima und dem Atomausstieg mehrerer Länder sieht die Zukunft der Solar- und Windbranche doch glänzend aus. Warum wird das an der Börse nicht belohnt?

Fawer: Das hat mehrere Gründe: Aufgrund der Schuldenkrise ist die Finanzierung der Projekte deutlich schwieriger geworden. Banken geben nur noch widerwillig längerfristige Kredite. Hinzu kommen die Senkung der Einspeisetarife in vielen Ländern und die hohen Überkapazitäten. Einer globalen Nachfrage von 21 Gigawatt Leistung bei der Photovoltaik stehen derzeit Produktionskapazitäten von 50 Gigawatt gegenüber. Bis zu 40 Prozent des Bedarfs in 2012 liegen bereits fertig in den Vertriebskanälen. Die Fabriken sind im Schnitt nur zu 50 Prozent ausgelastet.

DAS INVESTMENT.com: Kein Wunder, dass die Preise für Solarmodule und Windturbinen kollabieren. Was hat das für Auswirkungen auf die Branche?

Fawer: Die Umsätze der Firmen sinken und sie müssen hohe Abschreibungen auf den Wert ihrer Lagerbestände machen. Die bereits produzierten Solarmodule und Windturbinen können teilweise nur noch unter den Produktionskosten verkauft werden. Und dass ist immer noch besser als gar nicht zu verkaufen. Hohe Gewinne machen die Firmen so natürlich nicht. Wir werden darum auf jeden Fall noch mehr Insolvenzen sehen. Die Marktbereinigung ist in vollem Gange.

DAS INVESTMENT.com: Wie kommen die Unternehmen da wieder raus?

Fawer: Die Überkapazitäten müssen abgebaut werden und die Nachfrage muss anziehen.

DAS INVESTMENT.com: Wie soll das gehen?

Fawer: Positiv ist durchaus, dass die Preise der Windturbinen und Solarmodule gefallen sind. Das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien. Ist die Schuldenkrise erst einmal gelöst, kommt die Wirtschaft wieder in Schwung, wird auch die Nachfrage nach erneuerbaren Energien steigen. Spätestens, wenn der Ölpreis wieder deutlich anzieht.

DAS INVESTMENT.com: Noch ist es aber nicht soweit. Viele Spekulanten wie Hedgefonds wetten derzeit auf fallende Kurse. Sie shorten Wind- und Solaraktien und verschärfen damit den Kursverfall. Wann hat das ein Ende?

Fawer: Bei den Shorties wird irgendwann auch die Gegenbewegung eintreten, wenn die sich mit den ausgeliehenen Aktien eindecken müssen. Dann sieht es auch schon wieder ganz anders aus.

DAS INVESTMENT.com: Was sollen Anleger jetzt tun? Aussteigen, drinbleiben oder sogar einsteigen?

Fawer: Anleger, die schon lange investiert sind, sollten auf jeden Fall drinbleiben. Denn viel schlechter kann es nicht mehr werden. Es wird sich lohnen, Geduld zu haben. Mit dem Einstieg würde ich allerdings noch zwei, drei Monate warten. Nach den ersten positiven News von Seiten der Unternehmen und in Sachen Schuldenkrise und wenn die Banken wieder agiler werden. Es ist sehr viel Geld geparkt und wartet nur darauf, investiert zu werden. Wenn es dreht, dann wird es sehr schnell gehen.

DAS INVESTMENT.com: Welche Unternehmen sind dann attraktiv?

Fawer: Vor allem große Firmen, die international aufgestellt sind. Sie müssen so groß sein, dass sie auch in Brasilien, Nordafrika oder Indien Projekte durchführen oder Module verkaufen können. Die neuen Märkte für erneuerbare Energien sind wirklich international. Auch in diesem Sektor dreht sich alles in Richtung Schwellenländer und den USA. Europa wird künftig nicht mehr der Wachstumsmarkt Nummer eins sein.

DAS INVESTMENT.com: Was bedeutet das konkret für die Firmen?

Fawer: Sie müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken, sich weiterentwickeln weg vom reinen Modulverkäufer. Das werden künftig vor allem die Chinesen übernehmen. Überleben werden langfristig vor allem jene Firmen, die komplette Energiesysteme anbieten können, die Energiespeicherung und Management mit im Programm haben. Außerdem sollten die Unternehmen Probleme, wie beispielsweise die drohende Überlastung der Stromnetze beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, proaktiver angehen. Sie sollten sich mit anderen Firmen und Universitäten zusammentun und nach Lösungen suchen.

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