LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 4 Minuten

„Erst in ein, zwei Jahren wird sich Europas sparsame Haushaltspolitik auszahlen“

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Irgendetwas scheint hier nicht zu stimmen. Vier Jahre sind seit dem Beginn der Finanzkrise 2008 vergangen. Die Regierungen haben alles getan, um die Schäden zu reparieren und die Verschuldung zu reduzieren. Und das Ergebnis? Die öffentlichen Defizite sind heute höher als vor der Krise.

In den Industrieländern liegen sie in diesem Jahr bei 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verglichen mit 3,5 Prozent 2008. In den Schwellenländern betragen sie 1,9 Prozent; 2008 gab es hier noch einen Überschuss.

Die Konjunktur ist schuld, oder?

Haben wir hier vielleicht etwas falsch gemacht? Könnte es sein, dass wir uns in einem Hase-und-Igel-Spiel befinden: Da mag der Hase noch so schnell laufen, der Igel ist doch schon vor ihm am Ziel? Alle Sparmaßnahmen, die in den vergangenen Jahren unter zum Teil großen Schmerzen ergriffen wurden, werden zunichte gemacht durch die Verschlechterung der Konjunktur und die dadurch rückläufigen Steuereinnahmen.  Das mag so aussehen. Es ist aber nicht richtig.  

Es gibt drei Gründe, weshalb die Welt heute in Sachen Verschuldung insgesamt schlechter als vor der Krise dasteht.
  • Der eine ist, dass die Verschuldung eine Folge der Krisenbekämpfung ist. Sie setzte also erst ein, nachdem die Krise da war. Es ist also kein Wunder, wenn die Schulden heute höher sind.
     
  • Der zweite ist, dass nicht alle Staaten konsolidiert haben. Einige haben geschlampt. Ihnen war die Stützung der Konjunktur wichtiger als das Sparen. Das sind vor allem die USA und Japan, zum Teil aber auch Großbritannien. Das Vereinigte Königreich hatte 2009/2010 zwar ein ehrgeiziges Sparprogramm verabschiedet, auf die Ergebnisse wartet man aber bis heute. Alle diese Länder haben die Arbeit der Konsolidierung mit allen negativen Effekten für Konjunktur, Beschäftigung und Finanzmärkte noch vor sich. 

  • Der dritte Grund: Wir messen falsch. Wenn man die Wirksamkeit der Finanzpolitik beurteilen will, dann darf man nicht auf die tatsächlich anfallenden Zahlen schauen. Öffentliche Defizite werden immer von zwei Seiten beeinflusst: Einmal von der Finanzpolitik, zum anderen von der Konjunktur (die natürlich zum Teil wiederum die Finanzpolitik widerspiegelt).
Wenn man nur die Effekte der Finanzpolitik sehen will, muss man die Zahlen um die Konjunktureffekte bereinigen. Man muss also die Zahlen betrachten, die sich ergeben würden, wenn die Konjunktur „normal“ wäre und nicht so schlecht, wie sie sich heute darstellt.

Ich weiß, dass das nach Manipulierung ausschaut. Der Vorwurf ist aber ungerecht. Es handelt sich vielmehr um ein international und auch wissenschaftlich anerkanntes Verfahren.

>>Vergrößern


Tipps der Redaktion