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„Es ist gar nicht so einfach, Inflation zu erzeugen“

Die Bürger haben begonnen, ihr Geld in sichere Sachwerte <br> wie Edelmetalle, Rohstoffe oder Immobilien umzuschichten. <br> Quelle: Fotolia
Die Bürger haben begonnen, ihr Geld in sichere Sachwerte
wie Edelmetalle, Rohstoffe oder Immobilien umzuschichten.
Quelle: Fotolia
Als „Goldilocks“ bezeichnet man ein ideales Umfeld für steigende Aktienkurse. Es ist geprägt von fallenden Zinsen, einer deutlichen Erholung der Unternehmensgewinne und abgrundtiefem Pessimismus der Anleger. Dieses Ideal-Szenario beginnt zu bröckeln. Die Zinsen steigen deutlich – vor allem am langen Ende. So kletterte die Rendite für 10jährige Bundesanleihen in den letzten Wochen von 2,1 auf 3,1 Prozent ein Anstieg von über 45 Prozent.

Die konjunkturellen Frühindikatoren – wie zum Beispiel der ifo-Geschäftsklima-Index – befinden sich inzwischen auf einem hohen Niveau, was darauf hindeutet, dass die Unternehmen ihre Gewinne nur noch schwer stärker steigern können. Und unter den Investoren, die den bisherigen Anstieg der Börsenkurse seit März 2009 mit Skepsis und ungläubigem Staunen verfolgten, wächst zunehmend die Akzeptanz für Aktienanlagen. Aus den Bären sind Bullen geworden.

Trotzdem bleiben Dividendenpapiere weiter attraktiv. Denn das Zinsniveau ist immer noch historisch niedrig, die Notenbanken versorgen die Märkte mit reichlich Liquidität und die Weltkonjunktur bleibt robust. Die Anleger sind zwar optimistischer geworden, doch hat bisher kaum jemand seine strategische Aktienquote bereits deutlich erhöht.

Flucht in Sachwerte verstärkt sich

Nicht nur Griechenland ist abgebrannt. Auch viele andere Staaten ächzen derzeit unter einem immensen Schuldenberg – von den USA über Großbritannien bis Japan. Staatliche Schuldenkrisen sind leider nichts Neues. Schon immer tendierten die Herrschenden dazu, über ihre Verhältnisse zu leben. Deshalb weiß man auch genau, dass es nur vier Wege aus einer Schuldenkrise gibt:
1. Hohes Wirtschaftswachstum
2. Eisernes Sparen
3. Inflationierung
4. Staatsbankrott

Auf keinen Fall lässt sich eine Schuldenkrise durch immer mehr Schulden lösen, wie es derzeit wieder einmal versucht wird. Man erkauft sich damit Zeit, macht das Problem aber nur noch schlimmer. Auch ein Rauschgiftsüchtiger wird nicht dadurch geheilt, dass man ihm immer höhere Dosen verabreicht.

Betrachten wir uns also einmal die genannten Lösungsansätze. Sicher ist es einzelnen Staaten in der Vergangenheit gelungen, durch eisernes Sparen ihre Schulden abzubauen. Dieser Weg bedingt aber ein kräftiges Wirtschaftswachstum, damit er nicht zu schmerzhaft wird. Angesichts einer verhängnisvollen demographischen Entwicklung, einem seit Jahrzehnten rückläufigen Potentialwachstum und einer bevorstehenden Implosion der Sozialsysteme scheint es mehr als unwahrscheinlich, dass das Problem auf diese Weise gelöst werden kann.

Bleibt aber der Versuch, sich seiner Schulden mit schlechtem – sprich: entwertetem Geld – zu entledigen. In der Tat laufen derzeit die Notenpressen heiß und durch den unbeschränkten Ankauf von (Ramsch-)Anleihen wird versucht, Inflation zu erzeugen und gleichzeitig die Zinsen niedrig zu halten. Man nennt dies „Quantitative Easing“.

Erst vor kurzem hat die amerikanische Notenbank weitere 600 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, um weitere Anleihen aufzukaufen. Interessanterweise fallen seitdem die Kurse amerikanischer T-Bonds deutlich, anstatt wie erwartet zu steigen. Die Zinsen steigen, was deflationär wirkt, weil es negative Auswirkungen auf die Konjunktur hat.

Es ist also gar nicht so einfach, Inflation zu erzeugen, zumal die ebenfalls hoch verschuldeten privaten Haushalte und die Industrieunternehmen trotz der immer noch historisch niedrigen Geldmarktzinsen ihre Kredite eher abbauen als stärker zu konsumieren und zu investieren. Dieses Deleveraging führt in die Liquiditätsfalle („Liquidity Trap“). Die Nachfrageseite bleibt schwach, während auf der Angebotsseite riesige Überkapazitäten bestehen. Bei einer Kapazitätsauslastung von 74 Prozent haben die Unternehmen keinen Preisüberwälzungsspielraum. Die aktuelle Entwicklung ist also eher deflationär als inflationär.

Voraussichtlich steuern wir also früher oder später auf ein Schuldenmoratorium zu. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie eines Morgens ihren Fernseher anstellen und Ihnen ein seriös gekleideter Herr mit ernster Miene mitteilt, dass Ihr Staat leider seinen Schuldendienst einstellen muss, weil er – natürlich unverschuldet und bedingt durch das Werk böser Spekulanten – in eine Notsituation geraten ist. Die öffentlichen Schulden werden also restrukturiert und diejenigen, die dem Staat ihr Geld anvertraut haben, werden „frisiert“ (Haircut). Dies klingt erst einmal sehr utopisch. Es kann sein, dass es sich dabei um einen schleichenden Prozess handelt. Ein Blick in die Geschichte zeigt allerdings, dass Staatsbankrotte eher die Regel sind als die Ausnahme.
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