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in Aus der Fondsbranche: neue ProdukteLesedauer: 3 Minuten

„Es sieht nicht gut aus" Das rät Personalberater Devisenhändlern an der Wall Street

Charlie Stenger hat in seinem Büro schon so einiges gesehen. Bei dem ehemaligen Devisenmakler, der inzwischen als Personalvermittler tätig ist, haben Händler geweint. Ein Händler gestand ihm, dass er seiner Frau nicht erzählte, dass er arbeitslos war, und jeden Morgen im Anzug das Haus verließ und in ein Café ging. Manche konnten der Realität nicht ins Auge sehen und lehnten Stellen ab, die weniger gut bezahlt waren als die Arbeitsplätze, die sie gerade verloren hatten.

Stenger, der 2013 bei ICAP gekündigt wurde und jetzt für Sheffield Haworth tätig ist, sagt den Männern und Frauen, die er berät: Akzeptieren Sie das niedrigere Gehalt. Und nein, es lohnt sich nicht, auf einen Anruf eines anderen potenziellen Arbeitgebers zu warten. „Es sieht nicht gut aus", konstatiert er. „Der Teich schrumpft."

Seit dem Ende der Finanzkrise sind im Investmentbanking Zehntausende von Stellen weggefallen. Besonders betroffen waren die Devisenabteilungen in vielen Banken, darunter Morgan Stanley, Barclays und Societe Generale. Neben den Stellenstreichungen spielt auch die Automatisierung eine Rolle, durch die der Personalbedarf reduziert wird, und die eine neue, kleinere, Generation quantitativer Händler hervorgebracht hat, die ihre Entscheidungen auf mathematischen Modellen basieren.

Im Jahr 2014 beschäftigten die weltweit größten Banken 2300 Personen im Front-Office-Bereich am Devisenmarkt, 23 Prozent weniger als vier Jahre zuvor, wie das Analyseunternehmen Coalition Development berichtet.

Und der Stellenabbau am Devisenmarkt dürfte weiter gehen. Die Erträge der Devisensparten haben sich nicht erholt, seit sie 2014 bis auf 6,5 Milliarden Dollar und damit 45 Prozent unter den Wert von 2009 abgerutscht sind. Das Devisenhandelsvolumen in Großbritannien und Nordamerika ist laut Zentralbanken in den Regionen im Oktober um über 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat geschrumpft.

„Das Geschäft muss verkleinert werden", sagt Keith Underwood, ein Devisenberater, der 25 Jahre im Handel tätig war und 2014 aufhörte. Aber es sei nicht leicht für Menschen, die über lange Jahre in einem Markt tätig waren, sich durch einen Algorithmus ersetzt zu sehen.

Und die Computerprogramme sind furchteinflößende Gegner. So kann Virtu Financial dank hochentwickelter Technologie mehr als 11.000 Wertpapiere und andere Produkte auf über 225 Handelsplattformen in 35 Ländern handeln. Das Unternehmen ist so auf Technologie ausgerichtet, dass es im vergangenen Jahr nur rund 150 Mitarbeiter beschäftigte.

Personalvermittler Stenger empfiehlt den noch im Devisenhandel beschäftigten Bankern, sich auf ihre Entlassung einzustellen. Bei der Arbeitssuche sollen sie eine um 25 Prozent niedrigere Vergütung akzeptieren. „Wenn man arbeitslos ist, sinkt der eigene Marktwert, das liegt in der Natur der Sache."

Einige Händler setzen ihre Fähigkeiten in einem anderen Kontext ein und haben beispielsweise als Vertriebler oder Manager bei Finanztechnologiefirmen, Zahlungsdienstleistern oder Handelsplattformen angeheuert. Auch im Risikomanagement der Banken sind ehemalige Devisenhändler zu finden.

Der als Berater tätige Underwood ist mit seinem Schicksal jedenfalls sehr zufrieden. Er kehrte dem Markt aufgrund der strikteren Vorschriften für Derivate den Rücken. „Ich könnte gar nicht glücklicher sein", konstatiert er. Für seine Dienstleistungen berechnet er nach eigenen Angaben Stundensätze, wie sie auch erfahrene Anwälte verlangen. „Ich habe mehr Macht und Kontrolle über meine Zukunft", betont er.

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