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Aktualisiert am 27.01.2020 - 14:34 Uhrin Recht & SteuernLesedauer: 3 Minuten

„Es wird mehr Klagen gegen Berater geben“

Oliver Renner
Oliver Renner, Kanzlei Wüterich Breucker

DAS INVESTMENT.com: Ist es für die Finanzberatung vorteilhaft, wie gerade geschehen, den Rechtsrahmen für die Finanzvermittlung zu vereinheitlichen – die kurze kapitalmarktrechtliche Verjährungsfrist (maximal 3 Jahre) an die allgemeine zivilrechtliche Verjährungsfrist (maximal 10 Jahre) anzupassen? Oliver Renner: Grundsätzlich ist es zu befürworten, dass die Verjährungsfristen verlängert werden. Grund hierfür ist, dass der „Schaden“ erst oftmals sich nach drei Jahren realisiert. Wichtiger aber ist, dass in Bezug auf die verschiedenen Finanzprodukte nun einheitliche Verjährungsregelungen greifen. DAS INVESTMENT.com: Welche Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche galten denn bislang in der Finanzberatung? Renner: Wenn einem Anleger ein Schaden entstanden ist, muss zunächst geprüft werden, ob nicht bereits ein bestehender Anspruch gerichtet auf Schadensersatz verjährt ist. Im Bereich des Kapitalmarktrechts existieren zahlreiche Sondervorschriften, was die Verjährung von Ansprüchen betrifft. Im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen gilt beispielsweise Paragraf 37a Wertpapierhandelsgesetz. Demnach verjähren Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen – die ab dem 1. April 1998 entstanden sind – in drei Jahren beginnend ab der Zeichnung.
Weitere spezielle Regelungen finden sich in Paragraf 46 Börsengesetz sowie Paragraf 13 Verkaufsprospektgesetz – maximal drei Jahre seit Prospektveröffentlichung –, Paragraf 127 Abs. 5 des Investmentgesetzes (drei Jahre seit Abschluss des Kaufvertrages) sowie Paragraf 12 Abs. 4 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (drei Jahre seit der Veröffentlichung der Angebotsunterlagen). DAS INVESTMENT.com: Und wie ist der Regelfall? Renner: Soweit die dargestellten spezialgesetzlichen Verjährungsregelungen nicht anzuwenden sind, gilt die allgemeine Regelverjährung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Seit dem 1. Januar 2002 gilt dabei eine kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist. Diese beginnt laut BGB „mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.“ DAS INVESTMENT.com: Welche Fristen gelten bislang für Fälle, die weiter zurückliegen als 2002? Renner: Paragraf 199 BGB ist nach der zwischenzeitlich einhelligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für sogenannte „Altfälle", bei denen der Anspruch vor dem 31. Dezember 2001 entstanden ist, anzuwenden. Also gelten die gleichen Bedingungen. Liegen jedoch mehrere Beratungsfehler gesondert vor, beginnt die Verjährung für jede Pflichtverletzung gesondert zu laufen. DAS INVESTMENT.com: Wann genau besitzt der Anleger Kenntnis von seinem Anspruch auf Schadenersatz und der Person des Schuldners? Renner: Das ist in der Rechtsprechung der Instanzen umstritten. Allgemein geht der BGH laut einem Urteil vom 27. Mai 2008 davon aus, dass die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände dann gegeben ist, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadenersatzklage, sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, möglich ist. DAS INVESTMENT.com: Das bedeutet konkret? Renner: Der Geschädigte muss weder alle Einzelumstände kennen, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. In Fällen unzureichender Aufklärung muss der Anleger aber sehr wohl Kenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge haben, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt. DAS INVESTMENT.com: Schildern Sie bitte dafür einen Beispielfall. Renner: Für den Fall der Haftung einer Bank beim Erwerb einer Eigentumswohnung ist dies zum Beispiel nur dann gegeben, wenn der Anleger sowohl die Umstände einer arglistigen Täuschung beim Wohnungserwerb als auch eines bestehendes Wissensvorsprungs der Bank gekannt hat. Gleiches gilt, wenn der Anleger diese Umstände infolge grober fahrlässiger Unkenntnis nicht gekannt hat. Es hängt also – wie schon bei der Beratung selbst – von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine individuelle Prüfung unter erschöpfender Erfassung des Sachverhalts ist daher dringend anzuraten. DAS INVESTMENT.com: Muss durch die Ausweitung der Verjährungsfristen von drei auf zehn Jahre künftig mit mehr Klagen gegen Berater gerechnet werden? Renner: Man muss wohl mit einer Ausweitung rechnen; dies liegt aber nur daran, dass der zeitliche Rahmen bei Verlängerung der Verjährungsfristen dazu führt, dass dann auch in derzeit verjährter Zeit Ansprüche eingeklagt werden können.

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