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Euro-Schuldenkrise: „Ein langer und zäher Prozess“

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Frage: Als „Point of no Return“ bezeichnet man einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Verschiedene Wirtschaftswissenschaftler führen an, dass ab einer bestimmten Schuldenquote ein solcher „Point of no Return“ erreicht sei, weil die Zins- und Tilgungsverpflichtungen keine Spielräume mehr lassen. Früher oder später führe der Weg dann in den Staatsbankrott. Ist die Situation in manchen Ländern tatsächlich so ausweglos?

Clemens Fuest: Es kommt nicht nur auf die Schuldenquote an, sondern auch auf das Wirtschaftswachstum und das Zinsniveau. Das Beispiel der USA zeigt, dass man auch mit einer hohen Staatsschuldenquote recht komfortabel leben kann, solange die Zinsen niedrig sind. Entscheidend ist das Vertrauen der Gläubiger in die Fähigkeit und den Willen eines Landes, Schulden künftig zu bedienen. In Griechenland geht es ohne weitere Entlastungen sicherlich nicht, in anderen Krisenstaaten wie etwa Portugal ist die Lage kritisch. Man sollte aber nicht so tun, als sei ein Staatsbankrott in Form einer geordneten Restrukturierung der Schulden ein Weltuntergang. Das Beispiel der USA zeigt, dass man auch mit einer hohen Staatsschuldenquote recht komfortabel leben kann, solange die Zinsen niedrig sind.

Frage: Was müsste aus Ihrer Sicht von fiskalpolitischer Seite aus konkret geschehen, um die Schuldenkrise nachhaltig zu lösen?

Clemens Fuest: Aus meiner Sicht ist die Politik der entschlossenen Konsolidierung der Staatsfinanzen im Prinzip richtig. In den meisten Ländern wird allerdings zu sehr auf Steuererhöhungen und zu wenig auf Ausgabensenkungen gesetzt. Die Fiskalpolitik allein kann die Krise allerdings nicht lösen. Die Krisenstaaten müssen die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften steigern und die Banken in Europa müssen rekapitalisiert werden.

Frage: In den USA hat vor Kurzem die Stadt Detroit Insolvenz angemeldet. Sind solche Entwicklungen auch für europäische Städte denkbar?

Clemens Fuest: Denkbar ist das im Prinzip schon. Allerdings gilt beispielsweise in Deutschland, dass Gläubiger überschuldeter Städte ihr Geld auf Kosten der Steuerzahler anderer Städte zurückbekommen. Das muss aber nicht so bleiben. Ich erwarte keinen drastischen Zinsanstieg.

Frage: Kommen wir zur Geldpolitik, wie beurteilen Sie die EZB-Politik unter Mario Draghi?

Clemens Fuest: Die EZB-Politik unter Herrn Draghi halte ich teilweise für sehr vernünftig, teilweise aber auch für problematisch. Die Aussage etwa, die EZB würde die Eurozone um jeden Preis retten, halte ich für einen Fehler, weil die EZB damit den Bereich der Geldpolitik verlässt. Die Zinsen für Bundesanleihen sind trotz des zwischenzeitlichen Renditeanstiegs weiterhin auf einem extrem niedrigen Niveau. Rechnen Sie mit einer Zinswende oder bleibt es auf absehbare Zeit bei den Magerzinsen? Wenn die Stabilisierung der Konjunktur, die wir derzeit beobachten, anhält, rechne ich mit einer Fortsetzung des moderaten Zinsanstiegs. Einen drastischen Zinsanstieg erwarte ich nicht.

Frage: Angenommen, wir bekommen die Schuldenkrise nicht in den Griff. Mit was müssten deutsche Anleger rechnen?

Clemens Fuest: Das hängt davon ab, warum wir die Krise nicht in den Griff bekommen und wie das Überschuldungsproblem gelöst wird. Wenn ein großes Land wie Spanien oder Italien in einen ungeordneten Staatsbankrott abrutschen würde, müssten Anleger, die in Aktien oder in Anleihen der Krisenstaaten engagiert sind, mit erheblichen Verlusten rechnen. Wer in amerikanische Staatsanleihen oder in Gold investiert hat, hätte dagegen Kursgewinne zu erwarten. Ich halte es aber nicht für sehr wahrscheinlich, dass es zu solchen Katastrophenszenarien kommt.

Frage: Sie haben eine Top-Position inne, sind Mitglied in zahlreichen Beiräten und das „Handelsblatt“ zählt sie zu den einflussreichsten deutschen Ökonomen. Welche Ziele kann man da noch haben?

Clemens Fuest: Viele. Meine Arbeit beim ZEW hat ja gerade erst begonnen. Mein größter Wunsch und mein wichtigstes Ziel ist es, dass das ZEW erfolgreich ist. Dazu gehören für mich drei Dinge. Erstens erfolgreiche Forschung, die neue Erkenntnisse bringt. Zweitens, dass wir dazu beitragen, die Qualität wirtschaftspolitischer Entscheidungen zu verbessern. Drittens, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZEW, von denen sich viele während ihrer Zeit am ZEW weiterqualifizieren, erfolgreich sind.

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