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Europäische Titel Vertrauen auf defensive Aktien ist inzwischen eine gefährliche Strategie

Philippe Brugère-Trélat, Executive Vice President und Portfolio Manager bei Franklin Templeton
Philippe Brugère-Trélat, Executive Vice President und Portfolio Manager bei Franklin Templeton
Europäische Aktien haben in letzter Zeit recht viel Aufmerksamkeit erhalten, denn führende Indikatoren deuten auf den Beginn einer Erholung der Länder in der Region von der Krise und der durch die Sparmaßnahmen ausgelösten Rezession. Während einige Beobachter die jüngste Volatilität im Aktienmarkt als Hinweis darauf werten, dass Anleger bei der Titelwahl in der Region defensiv bleiben sollten, stimmten uns die jüngsten Entwicklungen zuversichtlich. Ich denke auch, dass Europa im Moment ein ausgezeichneter Markt für Stockpicker ist, die bereit sind zu ihrer Anlageüberzeugung zu stehen.

Viele Anleger sind bereits seit einigen Jahren der Ansicht, Europa könne mit den Folgen der Finanz- und Staatsschuldenkrise nicht fertig werden. Das hat zu Spekulationen über Staatspleiten, einen Kollaps der Einheitswährung und sogar einem Zerbrechen der Europäischen Union (EU) geführt. Die Lage scheint sich in letzter Zeit aber entspannt zu haben.

Ich denke, es besteht derzeit ein großes Interesse an europäischen Aktien und es ist offensichtlich, dass die Zuflüsse in europäische Aktien in letzter Zeit recht hoch waren. Das erklärt meiner Meinung nach unter anderem auch die Stärke des Euro. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass viele Anleger immer noch nicht so stark in der Region investiert sind, wie sie es in der Vergangenheit einmal waren.

Positive Signale der Europäischen Zentralbank (EZB)


Ich glaube, die EZB sorgte im Juni für neue, überzeugende Gründe für ein aktives Anlegerinteresse an Europa. Das Maßnahmenpaket war umfangreich und beinhaltete nicht nur eine weitere Reduzierung des Leitzinses für die Kreditvergabe an Banken, sondern auch einen negativen Einlagezins. Das ist das erste Mal, dass eine größere Notenbank so eine Maßnahme ergreift. Dieser Negativzins, der Banken davon abhalten soll ihre Barmittel zu horten, gilt für das Geld kommerzieller Banken, das bei der EZB gehalten wird und die Rücklagenerfordernisse übersteigt.

Die EZB stellte auch Pläne für eine Reihe gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte, sogenannter Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTROs), zu sehr niedrigen Zinsen vor. TLTROs sollen helfen, die Kreditvergabe der Banken an den Privatsektor außerhalb des Finanzwesens während der nächsten zwei Jahre anzukurbeln. Die EZB kündigte weiterhin an, sie werde die Vorbereitungen für den endgültigen Ankauf bestimmter forderungsbesicherter Wertpapiere – Asset-Backed Securities (ABS) – intensivieren.

EZB-Präsident Mario Draghi deutete an, er werde möglicherweise weitere Maßnahmen zur Förderung der Kreditvergabe und eine Stärkung der Konjunktur in Europa bekannt geben, einschließlich sogenannter geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen oder eines Quantitative Easing (QE).

Ich werte dies als äußerst positive Signale an die Anleger und halte die Maßnahmen für sehr gut. Insgesamt war das Paket nicht so umfangreich, wie ich es mir erhofft habe, aber es war eindeutig besser, als viele erwartet hatten.

TLTRO – Investitionschancen für kleine und mittelgroße Unternehmen

Was die Liquidität und die Kreditvergabe betrifft, ist es meiner Meinung nach äußerst positiv, denn das TLTRO-Programm mit seinem Volumen von über 400 Milliarden Euro dürfte es kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, in Wachstum zu investieren. Ich denke, dies trifft insbesondere auf die südliche Region der Eurozone zu, die von den Folgen der Finanzkrise 2007 bis 2008 am stärksten betroffen war.

Die TLTROs werden aller Wahrscheinlichkeit nach vielen Banken, insbesondere in Italien, eine Hilfe sein: Sie können sich so zu günstigeren Konditionen Mittel beschaffen. So dürfte es Banken möglich sein, ihre Nettozinsspannen und somit ihre Umsätze zu erhöhen. Gleichzeitig werden ihnen die TLTROs potenziell die Möglichkeit geben, äußerst profitable Kredite an genau die Unternehmen in der Region zu vergeben, die sie am dringendsten benötigen.

Das ist für mich als Anleger in europäische Aktien sehr wichtig, denn die aktuellen Bewertungen scheinen Umsatzsteigerungen bei europäischen Unternehmen, die stark innerhalb Europas vertreten sind, nicht zu berücksichtigen. Ich bevorzuge insbesondere Unternehmen, die sich positioniert haben, um von einem Konjunkturaufschwung in den am stärksten betroffen gewesenen Regionen der Eurozone zu profitieren.

Viele dieser Unternehmen haben während der Rezession ihre Kostenbasis aktiv reduziert. Sie sind jetzt schlank und rank und das erhöht die operative Hebelwirkung. So könnten selbst moderate Verbesserungen der Wirtschaftssituation direkte, positive Auswirkungen auf ihre Umsätze haben.

Investoren sollten warten, bis Umsätze auf bessere Wirtschaftslage reagieren

Mir ist klar, dass viele Anleger es vorziehen in defensive Sektoren zu investieren, wenn ein Markt regelmäßig Volatilitätsphasen durchläuft: Lebensmittel, Gesundheitsweisen und Telekoms entwickeln sich in unsicheren Märkten in der Regel gut, da sie im Allgemeinen stabile Umsätze haben und oft Dividenden ausschütten.

Ich denke, dass dieser Ansatz gut funktionieren kann, wenn die Wirtschaftsaussichten schlecht sind, wie dies in den letzten Jahren der Fall war.

Aber wie ich die Dinge sehe, ist ein weiteres Vertrauen auf defensive Titel in Europa inzwischen eine gefährliche Strategie. Denn ich denke, diese Titel werden auf einem unattraktiven Niveau gehandelt. Außerdem konnten sich viele dieser Unternehmen mehrere Quartale lang an steigenden Umsätzen erfreuen und sie bewegen sich nunmehr auf den Höhepunkt des Zyklus zu. Bei ihnen kann es also in Zukunft zu Umsatzrückgängen kommen.


Quelle: FactSet, MSCI, 2014

Ich denke: Eine bessere Strategie für die Anlage in einem Markt in einer Frühphase der Erholung ist es, sich auf die Fundmentaldaten von Aktien zu konzentrieren und abzuwarten, bis die Umsätze auf die sich verbessernde Wirtschaftssituation ansprechen.

Meiner Meinung nach ist die Volatilität, die wir beobachten konnten, wahrscheinlich nur vorübergehender Art. Ich glaube auch, in Zeiten wie diesen ist es wichtiger denn je, dass man sich als Anleger gründlich vorbereitet – bleiben Sie also bei Ihrer Fundamentaldatenrecherche und versuchen Sie über den kurzfristigen Anlagehorizont hinauszublicken.

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