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Europapolitik „Eine politische Union wäre gut für den Euro“

Martin Hüfner, Assenagon Asset Management

Ich möchte heute einmal einen Gedanken zur Diskussion stellen, der mich schon lange umtreibt. Ich zweifle nämlich zunehmend, dass der Prozess der europäischen Integration, so wie er heute verfolgt wird, auf die Dauer zum Erfolg führt. Es könnte sein, dass man sich etwas Neues einfallen lassen muss.

Der bisherige Ansatz basiert auf der Überzeugung, dass Europa nur durch zusätzliche Erweiterung und/oder Vertiefung stärker werden kann. Bei der Erweiterung denkt Brüssel im Augenblick daran, die Länder des Westbalkans in die EU aufzunehmen und Bulgarien in den Euro. Bei der Vertiefung geht es unter anderem um die bekannten Projekte eines Europäischen Währungsfonds und eines eigenen Budgets für den Euroraum. Jedenfalls muss immer etwas geschehen. So wie ein Fahrrad, das umfällt, wenn es nicht ständig in Bewegung gehalten wird.

Der Ansatz war gewiss nicht falsch. Mit ihm ist es in den vergangenen 60 Jahren gelungen, eine Union mit über 500 Millionen Menschen aufzubauen, einen Binnenmarkt mit einer Kaufkraft von 15 Billionen Euro und eine europäische Währung, die weltweit einen guten Ruf genießt. Das war eine Erfolgsgeschichte sondergleichen.

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Quelle: EU-Kommission

Aber jetzt werden Risse erkennbar, die zum Nachdenken zwingen. Mit Großbritannien tritt zum ersten Mal ein Mitglied aus. In Italien sprechen einige davon, dass auch dieses Land die Gemeinschaft verlassen könnte. Der Europaminister erwartet sogar „weitere Austritte“ aus der Union. Also keine Erweiterung mehr, sondern Schrumpfung.

Auch bei der Vertiefung gibt es Probleme. Grundlegende Institutionen der EU werden durchlöchert. Das für die Lebensqualität so wichtige Schengen-Abkommen ist an wichtigen Stellen aufgehoben. An der Grenze zwischen Österreich und Deutschland gibt es wieder Staus.

»Was wäre, wenn man Europa nicht durch immer mehr Mitglieder und Institutionen voranbringt, sondern im Gegenteil durch weniger?«

Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern stockt bei wichtigen Fragen. Polen und Ungarn haben Probleme mit der demokratischen Gewaltenteilung. Bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Länder kann keine Einigung erzielt werden. Deutschland hat Angst vor der Transferunion. Ich vermute, dass die Zusammenarbeit noch schlechter wäre (und vielleicht schon mehr Länder ausgetreten wären), wenn es in Brüssel nicht so viel Geld zu verteilen gäbe. Von einer politischen Union, die immer ein Ziel war, sind wir in jedem Fall weiter entfernt denn je.

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