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„Europas Inflation wird 2013 nur bei 1,7 Prozent liegen“

John Greenwood
John Greenwood
John Greenwood ist Chefvolkswirt der Investmentgesellschaft Invesco Asset Management

Die Wachstumsaussichten für 2013 sind verhalten. Die um ihre finanzielle Gesundung bemühten Industrieländer ziehen die besser aufgestellten Schwellenländer mit nach unten. Entscheidend ist das Tempo des Schuldenabbaus in den privaten und öffentlichen Sektoren der entwickelten Volkswirtschaften.

Dass sich diese Probleme nicht mit dem Zauberstab der Fiskal- oder Geldpolitik lösen lassen, ist klar. Eine expansive Haushaltspolitik gefährdet die Kreditwürdigkeit der Staaten, und eine expansive Geldpolitik kann keine Wirkung entfalten, wenn Haushalte und Unternehmen keine Kredite aufnehmen wollen und die Banken kaum Kredite vergeben. Ich rechne daher mit einem langwierigen Prozess der Bilanzgesundung und dementsprechend unterdurchschnittlichen Verbraucherausgaben und Unternehmensinvestitionen in großen Teilen der entwickelten Welt in den kommenden Jahren.

Entsprechend gedämpft ist auch der Ausblick für die Aktienmärkte. Trotz der zwischenzeitlichen Rally der Risikoanlagen haben sich die makroökonomischen Daten noch nicht ausreichend verbessert, um höhere Asset-Preise zu rechtfertigen.

Mit ihren OMT- und QW3- Programmen drehen die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Geldhahn massiv auf. Aber die Anleger wissen, dass die fundamentale Problematik der überschuldeten Haushalte und Regierungen und risikoaversen Banken in den Industrieländern dadurch noch nicht gelöst ist.

US-Krise voraus

In den USA ist das Bankensystem inzwischen auf dem Erholungspfad, und auch der Schuldenabbau der privaten Haushalte ist bereits weiter fortgeschritten als in Großbritannien oder der Eurozone. Dafür droht den USA der Sturz über die sogenannte fiskalische Klippe und dadurch automatische Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen mit einem Gesamtvolumen von knapp 3,5Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP).

Nach der Wiederwahl von Präsident Obama und angesichts der ansonsten drohenden Rezession halte ich einen Kompromiss zwischen beiden Seiten im US-Kongress für wahrscheinlich. Komplett vermeiden ließen sich die negativen Auswirkungen auf das BIP aber auch so nicht, so dass ich 2013 erneut mit einem BIP-Wachstum von nur 2 Prozent rechne bei einer relativ niedrigen Verbraucherpreisinflation von 1,7 Prozent.

Derweil gibt es in der Eurozone trotz massiver Stimulusmaßnahmen durch die EZB kaum Hinweise auf eine Erholung. Bei der Bilanzgesundung hinken die Euro-Banken den US-Banken deutlich hinterher, und selbst in den finanziell gesünderen Kernländern haben sich die Wachstums- und Stimmungsindikatoren im Zuge der rückläufigen Exporte in die Peripherie- und Schwellenländer in den vergangenen Monaten eingetrübt. Die Peripherie infiziert den Kern.

Durch das schrumpfende BIP sind die Verschuldungsquoten der Randstaaten nicht gesunken, sondern gestiegen, was die Laufzeit der auferlegten Sparprogramme verlängern dürfte. In der Eurozone gehe ich von einem realen BIP-Wachstum von -0,2 Prozent aus. Gedämpft durch das niedrige Geld- und Kreditwachstum, die hohe Arbeitslosigkeit und Überkapazitäten werde die Inflationsrate nur bei 1,7 Prozent liegen.

In Großbritannien machen die Bilanzreparaturen im privaten und öffentlichen Sektor gute Fortschritte. Dennoch gehe ich von zwei schmerzhaften Legislaturperioden aus, da die britischen Banken und Haushalte genauso wie die britische Regierung stark überschuldet in die Krise gestartet sind. Sofern der Inflationsdruck gering bleibt, dürften 2013 die positiven Einkommenszuwächse für die privaten Haushalte zurückkehren. Da den britischen Banken und der britischen Regierung jedoch ein langwierigerer Entschuldungsprozess bevorsteht, prognostiziere ich für 2013 ein BIP-Wachstum von maximal 1,0 bis 1,5 Prozent.

Dauerkrankes Japan

In Japan wird sich das Wachstum 2013 voraussichtlich auf 1,4Prozent verlangsamen, da die japanische Wirtschaft weiter mit den Folgen der jahrzehntelangen Überschuldung im privaten Sektor zu kämpfen hat und die Binnenwirtschaft zu schwach ist, um die rückläufige Außennachfrage zu kompensieren.

Der günstigere Yen dürfte zwar den Abwärtsdruck auf die Preise dämpfen. Angesichts der schwachen Binnennachfrage erscheint ein höheres Inflationsziel für die japanische Notenbank aber weiter unerreichbar. 2013 dürften wir eine marginal positive Verbraucherpreisinflation von 0,1Prozent sehen.

Obwohl China und die meisten asiatischen Volkswirtschaften fundamental besserer aufgestellt sind als die Industrieländer, hat die chinesische Wirtschaft unter dem Druck binnen- und außenwirtschaftlicher Faktoren deutlich stärker an Fahrt verloren als die offiziellen Zahlen vermuten lassen. Der Prozess der politischen Machtübergabe verzögert eine koordinierte staatliche Reaktion auf den Abschwung. Hinzu kommt die hohe Abhängigkeit der chinesischen Wirtschaft von den Exporten und Anlageinvestitionen – zwei Bereiche, die durch die weltweite Wachstumsschwäche besonders hart getroffen sind.

Längerfristig schwenkt China nach durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 10 Prozent in den Jahren 2001 bis 2010 auf einen moderateren Wachstumspfad mit Wachstumsraten von 5 bis 8Prozent ein. Wie das Beispiel Japan zeigt, führen derart abrupte Anpassungen zumeist zu erheblichen Verwerfungen. Für China rechne ich daher für 2013 mit einem realen BIP-Wachstum von 7,6 Prozent bei einer Inflationsrate von 1,7 Prozent.

Die Aussichten für die anderen asiatischen Volkswirtschaften sehe ich ähnlich. Die Wirtschaften sind gedämpft durch die Exportschwäche und die Unfähigkeit oder fehlende Bereitschaft der Regierungen, massiv zu intervenieren, um keine Verschlechterung ihrer Zahlungsbilanz zu riskieren. Die Lockerung der Kreditkonditionen in einigen Ländern der Region halte ich nicht für ausreichend, um den globalen Trend hin zu niedrigeren Wachstums- und Inflationsraten umzukehren.  

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