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in Inflation & DeflationLesedauer: 3 Minuten

EZB-Präsident Mario Draghi wichtigster Zentralbanker der Welt

Den jüngsten Ausverkauf an den globalen Bondmärkten dürfte zwar auch die Zinserhöhung der Federal Reserve im Juni unterstützt haben. Doch so richtig los ging es erst nach der Aussage des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, dass in Europa wieder reflationäre Kräfte wirkten. Das schürte Spekulationen, dass Draghi bald eine Verringerung der EZB-Anleihekäufe beaufsichtigen könnte und irgendwann auch eine Anhebung der Leitzinsen.

Vermögensverwalter Blackrock zufolge haben Draghis Worte derzeit mehr Gewicht als Janet Yellens, während Goldman Sachs Asset Management den EZB-Chef als den Mann bezeichnete, der den Rückzug am Bondmarkt wirklich ins Rollen gebracht hatte. Ein Blick auf die Swap-Sätze und Renditekurven untermauert das Gewicht der EZB inmitten einer globalen geldpolitischen Straffungstendenz, ebenso wie die Entwicklung der Wechselkurse und spekulativen Positionen in Währungen.

Anleiheinvestoren erleiden Verluste

"Wir haben im Laufe der vergangenen Wochen einen echten Stimmungswechsel erlebt", sagt Andrew Wilson, Chief Executive Officer von Goldman Sachs Asset Management International für EMEA in London, in einem Interview mit Bloomberg TV. "Man kann argumentieren, dass alles mit Mario Draghi begann, vielleicht als er erstmals über die Notwendigkeit gesprochen hat, die Akkommodierung in einem gewissen Maße abzubauen."

Anleiheinvestoren sitzen auf Verlusten in Höhe von 681 Milliarden US-Dollar aus der vergangenen Woche. Es war der stärkste Wochenverlust seit Mitte November - nach dem überraschenden Wahlsieg von Donald Trump, zeigt der Bloomberg Barclays Global-Aggregate Total Return Index. Der Großteil dieses Rückgangs erfolgte, nachdem Bundesanleihen, bereits anfällig aufgrund der veränderten Haltung von Draghi, im Gefolge einer schwachen Auktion französischer Bonds abgerutscht waren.

Tatsächlich haben die Staatsanleihemärkte schon seit einiger Zeit signalisiert, dass Europa in den Vordergrund rückt und den Ton angibt. Deutschlands Renditekurve ist im Mai steiler geworden als die für US-Treasuries; es war das erste Mal seit 2012.

Eine Reihe von Draghis Amtskollegen bei anderen Zentralbanken haben ebenfalls einen weniger akkommodierenden Tonfall angeschlagen. Dieser Wandel sorgte dafür, dass Händler so ziemlich überall eine straffere Geldpolitik einpreisen, wobei Japan eine Ausnahme darstellt. Selbst in Australien und Neuseeland, wo die Notenbank-Gouverneure vorerst Zurückhaltung bei der Zinspolitik signalisiert haben, lassen Swap-Sätze erkennen, dass zumindest eine Straffung innerhalb eines Jahres erwartet wird.

Anhebung von europäischem Leitzins eingepreist

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Die vielleicht dramatischste Wendung war, dass die Terminkontrakte seit Draghis Rede nun für das kommende Jahr zwei Anhebungen des EZB-Einlagensatzes um jeweils 10 Basispunkte einpreisen. Erst kürzlich, im Juni, war das überhaupt noch nicht erwartet worden.

"Die EZB-Schritte werden von nun an, also ab sofort und bis zum Jahresende, einen viel stärkeren Einfluss haben als die Fed selbst", sagt Neeraj Seth, Leiter Asian Credit bei BlackRock, im Gespräch mit Bloomberg TV.

Im Hinblick auf die Fed signalisieren die Marktpreise eine oder zwei Zinserhöhungen im Laufe des kommenden Jahres. Das wäre langsamer als das Straffungstempo seit Dezember und wären auch weniger Schritte als von den US-Notenbankern selbst projiziert.

Sicherer Hafen Euro?

Die veränderte Wahrnehmung zeigt sich auf darin, wie der Euro an die Spitze der Währungen hochschnellte, während der Dollar um mehr als sechs Prozent nachgab und damit die schlechteste Halbjahresentwicklung seit 2010 aufwies.

Hedgefonds und andere große Spekulanten sind vor diesem Hintergrund schnell aus dem Dollar geflüchtet und haben stattdessen auf den Euro gesetzt - der zuvor lange die beliebteste Short-Position gewesen war. Gleichwohl könnten sie sich als konträrer Indikator herausstellen, wie das schon einmal der Fall gewesen war. Denn Draghis veränderte Tonart schürt auch die Sorge, dass er den Entwicklungen vorwegzugreifen droht.

"Der Inflationstrend in Europa ist sehr gemäßigt", sagt Seth von Blackrock. "Zu diesem Zeitpunkt ist es in gewisser Weise etwas voreilig, den Ausblick für die Geldpolitik zu verändern, wenngleich ich davon ausgehe, dass die EZB zum Jahresende, Anfang kommenden Jahres hin eine Verringerung ihrer Anleihekäufe vornehmen wird."

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