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Finanzkrise: Den Kollaps verhindert, die Gesundung verfehlt

Daniel Stelter
Daniel Stelter
Dax und S&P feiern Rekordstände, die Zinsen bleiben tief und das Krisenbarometer Gold zeigt Entspannung. Deutschland wächst, die Arbeitslosigkeit ist so tief wie seit Jahrzehnten nicht und im Rest Europas stabilisiert sich die Wirtschaft. Die USA wachsen unbeeindruckt vom Haushaltsstreit in Washington und China hat die Wachstumsschwäche überwunden. Die Krise ist vorbei.

Friede, Freude, Eierkuchen

Ein kritischer Blick lässt daran zweifeln. Im fünften Jahr nach Lehman liegen fast alle Volkswirtschaften noch unter Vorkrisentrend. Das Wachstum ist verglichen mit den Jahren vor 2007 saft- und kraftlos, die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern auf hohem Niveau und die wirtschaftliche Erholung in Europa mehr statistischer Effekt als wirkliche Wende.

Wie man es auch betrachtet, die Wirtschaftspolitik hat den Kollaps verhindert, eine Gesundung aber nicht erreicht. Dabei haben die Staaten weltweit seit 2007 immerhin 18 Billionen Dollar neue Schulden gemacht und die wichtigsten Notenbanken ihre Bilanzen vervielfacht.

Die Probleme bleiben

Es ist ruhig geworden um die Krise, aber sie schwelt weiter. Die Probleme, die zur Krise geführt haben sind ungelöst. Die Schulden sind höher, die Handelsungleichgewichte größer und die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit verfestigt.

Die Megathemen Demographie und ungedeckte Versprechen für Renten und Gesundheitsleistungen, die laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Westeuropa und den USA bei vier- bis achtmal vom Bruttoinlandsprodukt  liegen, werden nicht angegangen.

In der Geschichte gibt es keinen Fall, in dem das Drucken von Geld nachhaltig Wert geschaffen hat. Jame Caruana, Generaldirektor der BIZ, stellt die Wirksamkeit der Geldpolitik als Ganzes in Frage und fordert einen Politikwechsel. Bis jetzt vergeblich. Zu groß sind die Probleme und was anderes können die Politiker denn noch machen?

Die Radikalkur

Eine Lösung könnte darin bestehen, die von den Notenbanken aufgekauften Staatsschulden einfach zu annullieren und mit einem Federstrich die Schulden verschwinden zu lassen. Zunehmend wird diese Lösung diskutiert. Die Auswirkungen einer solchen Maßnahme vermag niemand abzuschätzen.

Befürworter erwarten eine positive Reaktion von Märkten und Wirtschaft weil das Problem gelöst ist. Inflationsgefahren sehen sie nicht, weil das Geld ja bereits geschaffen wurde und bisher keine Inflation verursacht hat. Skeptiker befürchten einen völligen Vertrauensverlust und sehen es als Auslöser für eine Hyperinflation.

Aus Investorensicht mag dies egal sein. Solange die Notenbanken das Geld billig halten und in großen Mengen Nachschub produzieren, können Aktien, Junkbonds, Immobilien, eigentlich alle Assets nur eine Richtung kennen: nach oben.

Aus „never fight the Fed“ ist schon längst „never fight the central banks“ geworden, überbieten sich die Notenbanken der USA, Englands, der Schweiz und Japans in der Druckgeschwindigkeit. Nur die EZB darf noch nicht so recht mitmachen, was sich beim nächsten Aufflammen der Eurokrise rasch ändern wird.

Allen Diskussionen über das sogenannte Tapering – also einer Verlangsamung der expansiven Geldpolitik - zum Trotz ist es wahrscheinlicher, dass es eher mehr als weniger Geld geben wird.

Dann spielt keine Rolle, dass die Gewinne der US-Unternehmen hinter den Erwartungen blieben. Die Gewinnerwartungen für die kommenden Quartale sind nur realistisch, wenn sich die Weltwirtschaft deutlich erholt. Eine weitere Steigerung der Margen dürfte angesichts des schon hohen Niveaus nur in Einzelfällen möglich sein.

Der Marktkonsens ist eindeutig: solange die Notenbanken ihre Politik fortsetzen, spielt die Musik, und solange die Musik spielt, muss man tanzen.
Nach unten gibt es eine Absicherung durch den Notenbank-Put, nach oben gibt es keine Beschränkung. Aufwärts ohne Ende.

Mögliche Umkehrpunkte

Jede Spekulation funktioniert solange die Zinskosten des Kredits unter der Wertsteigerung des auf Kredit gekauften Assets bleiben. Sobald die Zinsen steigen, wächst der Verkaufsdruck, wie die Marktreaktion auf die Tapering Diskussion eindrücklich gezeigt hat.

Doch nicht nur die Zinsen stellen ein Risiko für die Märkte dar. Was, wenn die Tänzer trotz bester Musik lieber an die Bar gehen? Je deutlicher wird, dass die Kurse nur der Tatsache geschuldet sind, dass es zu viel Geld gibt, während die Realwirtschaft eben nicht von den Notenbanken gerettet werden kann, desto größer die Gefahr einer solchen Reaktion.

Wenn Inflation nicht aufkommt weil der deflationäre Druck des auf Entschulden fokussierten Privatsektors überwiegt? Dann könnte es sehr gut sein, dass die Asset-Preise nicht weiter steigen. Die Spekulation funktioniert nicht mehr und alle wollen zur selben Tür hinaus.

Sobald das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Notenbanken schwindet, kann es schnell so weit sein. Das Timing eines solchen Umschwungs ist schwer – doch wenn keiner damit rechnet ist er nicht mehr weit. Je lauter das Trommeln für die angeblich risikofreien Aktien und Junk Bonds, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Profis bald aussteigen. Cash dürfte die am meisten unterschätze Asset-Klasse sein.


Über den Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Think Tanks „Beyond the Obvious“. Zuvor war er von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior Partner und Managing Director und Mitglied des BCG Executive Committee. Von 2003 bis 2011 verantwortete er weltweit das Geschäft der BCG Praxisgruppe Corporate Development (Strategie und Corporate Finance). Seit 2007 berät Stelter internationale Unternehmen bei der Vorbereitung auf die Herausforderungen der fortschreitenden Finanzkrise.

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