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Frank Niehage „Hohe Bankgehälter behindern die Fintech-Szene in Frankfurt“

In der Stadt, in der die Europäische Zentralbank und die Deutsche Bank ihren Sitz haben, herrscht kein Mangel an Finanzfachwissen. Doch Niehage musste auch feststellen, dass sich Frankfurt nicht durch eine Atmosphäre kreativer Offenheit auszeichnet, in der Startups gedeihen.

Das könnte sich für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Main-Metropole als Zentrum der Finanzbranche als hinderlich erweisen, denn der Sektor Finanztechnologie - unter Eingeweihten kurz Fintech genannt - ist ein Wachstumsbereich in einer ansonsten schrumpfenden Branche.

„Eine konservative Kultur, mangelnde IT-Kenntnisse und die Bankgehälter behindern die Fintech-Szene in Frankfurt“, sagte Niehage im Gespräch mit Bloomberg in Frankfurt. „Im Augenblick setzt sich die digitale Revolution im Finanzsektor durch. Frankfurt muss mit der Zeit gehen, wenn es auch in der nächsten Generation des Bankwesens ein globales Finanzzentrum sein will.“

Frankfurt hat gerade einmal elf Fintech-Firmen zu bieten und liegt damit hinter mehreren anderen deutschen Städten. Berlin, nicht gerade die erste Adresse im Finanzsektor, liegt mit 49 Fintech-Firmen an der Spitze, zeigen die Ergebnisse einer Studie auf der Statistik-Website Statista. Andreas Hackethal, Forschungsdirektor bei E-Finance Lab, einem Institut mit Sitz in Frankfurt, das bahnbrechende Geschäftsprozesse für die Finanzbranche entwickeln will, schätzt, dass Fintech-Firmen in Frankfurt weniger als 300 Leute beschäftigen.

Martin Hellmich, Professor für Risikomanagement an der Frankfurt School of Finance and Management, sieht in der hohen Kostenbasis in der Stadt und in den hohen Gehältern, die die Banken zahlen, einen Grund für die geringe Zahl der Fintech-Spezialisten in der Region. Die neugegründeten Firmen können einfach nicht so gut zahlen wie die Geldinstitute.

„Ich habe noch immer den Eindruck, dass wir eine zu hohe Bankendichte haben“, sagte Hellmich. „Wenn die Banken Personal abbauen, werden die Gehälter allmählich sinken.“

Beim Faktor Gehalt könnte sich die Lage in der Tat entspannen, wenn die Branche schrumpft. Die Banken werden ihre Mitarbeiterzahl in Frankfurt bis Ende 2016 um etwa zwei Prozent auf knapp über 60.000 Angestellte senken, hieß es in einem Bericht der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale vom Dezember 2014.

„Frankfurt kann mit seinem hervorragenden digitalen, logistischen und Finanzzentrums-Profil aufwarten“, erklärte Markus Frank, Dezernent für Wirtschaft bei der Stadt Frankfurt, im Juli in der Stadtverordnetenversammlung. „Die Wirtschaftsförderung führt derzeit Gespräche mit Vertretern der sich entwickelnden Fintech-Szene in Frankfurt“, um den Bedarf für geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu identifizieren.

Frankfurt sollte sich nicht auf seinen internationalen Ruf verlassen, um junge Firmengründer und Programmierer aus dem Ausland anzuziehen, sagte Jochen Siegert, der früher in Berlin gearbeitet hat und nun bei der B2B-Zahlungstechnologie-Firma Traxpay in Frankfurt für das Tagesgeschäft verantwortlich ist. „Einen ukrainischen Programmierer nach Berlin zu locken, ist 10.000 Mal einfacher, als ihn zum Umzug nach Frankfurt zu bewegen.“
Zu der niedrigeren Kostenbasis in Berlin komme noch die Faszination der jungen Menschen mit der Startup-Kultur in der Hauptstadt hinzu, erklärte er und fügte an: „Das Umfeld, in dem die Leute zusammenkommen, Gedanken austauschen und Ideen entwickeln, ist in Berlin oder London viel ausgeprägter.“

Andere sind davon überzeugt, dass die Frankfurter Banker zum Teil hervorragende Ideen für eine moderne Banking-Architektur haben - aber vollkommen ahnungslos sind, was die technische Umsetzung angeht.
„Manchmal können sie selbst die einfachsten Fragen bezüglich der IT-Umsetzung nicht beantworten“, sagte Maximilian Voigt, Mitbegründer des Inkubators Gruendermaschine.com. „Es gibt eine enorme Menge Finanzwissen in Frankfurt“, so Voigt. „Aber wir sehen auch eine Marktlücke auf der IT-Seite und die hoffen wir zu füllen.“

FinTech-Group-Chef Niehage siedelt das Frankfurter Büro seiner Firma im Herbst dieses Jahres aus dem nach seinen Worten „altmodischen“ Finanzdistrikt in das kreativere Umfeld des Westhafen-Viertels um. Er führt Gespräche mit Universitäten, um 2016 ein duales Studien- und Auszubildenden-Programm im Fintech-Bereich ins Leben zu rufen.

„Der Markt braucht Kandidaten, die nicht nur über Expertise im Bank- und Finanzwesen verfügen, denn davon gibt es in Frankfurt viele, sondern die auch IT- und Programmierkenntnisse haben“, erklärte er. „Diese Kombination von Kompetenzen gibt es nicht oft, darum lernen wir junge Menschen selber an.“

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